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Ein historischer Abend

Dieser Abend war wahrhaft historisch. Nicht nur weil wir, wie zu erwarten war, einen historischen Vortrag über unsere St. Leonhardkirche geboten bekamen. Nein, vor allem deswegen, weil wir Zeugen einer umfassenden Neubewertung der baugeschichtlichen Entwicklung unseres Gotteshauses wurden.

Von einer Kirche mit wehrartigem Charakter sprachen wir bisher, und hatten dabei immer ein bisschen ein schlechtes Gewissen, weil uns die wirklichen Belege dafür fehlten, auch wenn zweifelsohne einige Merkmale, wie die Schießscharten oben im Chor, noch sichtbar sind. Jetzt aber verfügen wir dank der detaillierten Arbeit von Adrian Schulz über eine sachkundige Darstellung bautechnischer Entwicklungen seit dem 15. Jahrhundert. Seine Abschlussarbeit im Studiengang Denkmalpflege an der Universität Bamberg widmete er unserem Kirchengebäude.

Von besonderem Interesse dürften dabei seine Thesen und Rekonstruktionen zum ursprünglichen Kirchengebäude aus der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg sein. Mittels moderner bildgebender Verfahren konnte er nachweisen, dass sich der Gebäudegrundriss seit dem späten Mittelalter auch bei dem Wiederaufbau im 30-jährigen Krieg nicht verändert hat. Lediglich das Dach und der Zugang wurden den veränderten Bedingungen angepasst.

Aufgrund alter Pläne und bautechnischer Rekonstruktionen kann man einen Zugang zur Kirche durch die Kirchenmauer auf der Westseite annehmen. Dieser Zugang zur Kirche wurde erst im 20. Jahrhundert verschlossen und befand sich genau an der Stelle, wo heute auf der Westseite ein Absatz in der Mauer zu sehen ist. Von da aus erfolgte der Zugang direkt zur noch heute vorhandenen Sakristeitüre, die freilich auch im 19. Jahrhundert erneuert worden ist. Dann ging man durch die Sakristei in gebückter Haltung durch die enge Pforte in den Kirchenraum. Diese Eingangssituation war besonders leicht zu verteidigen. Einen Eingang auf der Westseite beziehungsweise der Südseite wird es in der Zeit vor dem 30-jährigen Krieg aller Wahrscheinlichkeit nach nicht gegeben haben.

Im Kirchenschiff befindet sich etwa auf Höhe der Empore eine deutliche Kante mit einer Verjüngung der Mauer. Was es mit dieser Kante auf sich hat, darüber ist oft gerätselt worden. Diese Kante läuft um das ganze Kirchenschiff. Das ist vielleicht deswegen besonders erwähnenswert, weil ein Großteil dieser umlaufenden Kante heute durch die Emporen verdeckt ist. Adrian Schulz vermutet, dass sich vor dem 30-jährigen Krieg auf dem Kirchenschiff so etwas wie ein wehrartiger Umgang befunden haben könnte, der mit Buhnen auf die Mauer aufgestützt konstruiert worden war. Diese bautechnische Vermutung lässt sich allerdings nicht sicher belegen. Eine von Schulz präsentierte, in ihrem Grundriss ganz ähnlich gestaltete Kirche mit einem hölzernen Wehraufbau aus dem Erzgebirge könnte für unsere Kirche als Vorbild gedient haben. Schulz sieht u.a. auch in dem Namen Huß, der bei den Gründern der Kirche eine Rolle spielte, eine Verbindung ins Erzgebirge als möglich.

Einige Fragen bleiben gleichwohl auch bei diesem Rekonstruktionsversuch offen. Jedoch fügt Schulz die gesicherten und nachweisbaren Bestandteile unseres Kirchengebäudes mit plausiblen und schlüssigen Hypothesen zu einem Gesamtbild, wie wir es bisher insbesondere für die Frühzeit des Gebäudes noch nicht vorliegen hatten. Daher ergänzt seine Arbeit unser Bild von der St. Leonhard Kirche an vielen Stellen. Zudem liefert sie eine detaillierte bautechnische Beschreibung auf dem technischen Stand der Zeit. Dies wird uns auch bei zukünftigen Bauaufgaben am Kirchengebäude eine große Hilfe sein. Nicht zuletzt hat Schulz ein digitales 3-D Modell des Taufengels erstellt. Dieses wird für etwaige zukünftige Renovierungen von wert sein. Ein Video für die Homepage von diesem 3-D Modell hat er uns noch in Aussicht gestellt.

Michael Grell

 

Stimmen zum Vortrag

„Das war ein extrem interessanter Vortrag. Es war zudem sehr kurzweilig.“

„Der Vortrag von Adrian Schulz war sehr gut vorbereitet. Man konnte ahnen, wie viel Aufwand dahinter steckt. Der Blick auf unsere Dorfkirche hat sich erweitert.“

„Toll, wenn sich jemand mit unserem Gotteshaus so intensiv beschäftigt. Das waren richtig  neue Erkenntnisse.“