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Der schwebende Taufengel

Direkt vor der Orgel, etwa 1,80 Meter tief im Kirchenschiff, fällt der Blick auf den Taufengel der Köditzer Kirche, den einzigen noch funktionierenden Schwebeengel in ganz Oberfranken. Zwar gibt es insgesamt 45 weitgehend restaurierte und im Kirchenraum positionierte Taufengel in oberfränkischen Kirchen; doch allein der Köditzer Engel wird zu allen Tauffeiern vom Dachboden aus durch Hochziehen eines Bleigewichts nach unten gesenkt und am Ende der Feier wieder nach oben gezogen.

Die etwa 1,20 Meter große Skulptur ist die zweite ihrer Art. Der Bildhauer Wolfgang Adam Knoll schuf bereits 1746 für die Kirche einen ersten kleineren schwebenden Taufengel, der aber, so wird erzählt, bald abstürzte und zerbrach. Daraufhin fertigte er 1769 den von Gemeindegliedern, vor allem der Familie Schaller aus Heroldsgrün, gestifteten neuen Engel.

Die Vorliebe für die Darstellung von Engeln fand im Barock ihren Höhepunkt und herabschwebende Engel, die das Taufbecken trugen, konnten den Gemeindegliedern besonders effektvoll und auf theatralische Weise die himmlischen Boten vor Augen führen. Zudem erwiesen sich diese Schwebeengel in den kleinen Dorfkirchen als platzsparend, da sie ja nach den Tauffeiern hochgezogen wurden und somit nicht mehr im Wege standen.

Im Zeitaltalter der Aufklärung allerdings fand man immer mehr Einwände gegen diese schwebenden Engel: man störte sich an den knarrenden Geräuschen beim Kurbeln, warnte vor Abstürzen und damit einhergehender Verletzungsgefahr, wollte Kinder nicht durch diese „Gespenster“ erschrecken und stieß sich an der Nacktheit mancher Engelskörper. Daher wurden im 19. Jahrhundert viele dieser Engel einfach vernichtet, andere wurden irgendwo im Kirchenraum aufgestellt, wieder andere auf die Dachböden verbannt.

Ein ähnliches Schicksal erfuhr auch der Köditzer Schwebeengel, der zu jener Zeit durch einen Taufstein ersetzt wurde. Erst 1922 wurde er wieder vom Dach geholt, repariert und zunächst an der Orgelempore, dann am Chorbogen befestigt. 1950 wurde er erneut restauriert und im Chorraum aufgestellt, ehe er seit 1978 nach einer weiteren Restaurierung wieder als Schwebeengel zum Einsatz kommt.

Betrachtet man den Taufengel eingehender, so fällt auf, dass er unter seinem in Grün, Gold und Silber gefassten langen, üppigen Gewand, das nur die nackten Füße freigibt, eine kniende Haltung einnimmt. Sein Gesicht hinterlässt einen in sich ruhenden, bestimmenden Eindruck. Das Haar fällt ihm in den Nacken. Die mächtigen, aufrecht stehenden, auf der Rückseite grünen, vorne leuchtenden Flügel verleihen ihm große Majestät. In den Händen hält er die muschelförmige Taufschale. So verleiht er mit seiner äußeren Gestalt und seiner Fähigkeit zu schweben der Köditzer Kirche einen ganz besonderen Glanz.

 

Adrians G´schichtla (Bayerischer Rundfunk) zu Schwebetaufengeln in Köditz und Bad Steben:

 

Zum Weiterlesen:

Artikel von Helmuth Meißner aus der Veröffentlichung „Taufengel in Oberfranken“

Artikel von Michael Grell zur Geschichte des Köditzer Taufengels im Köditzer Kirchenbote, II 2019.thumbnail of Geschichte Taufengel Köditz

Artikel zu Taufengel aus der Werkstatt Knoll, Köditzer Kirchenbote, IV 2019.