
Fürchtet Euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren. Christvesper digital zum Mithören.
Musikalische Tonaufnahmen aus dem Jahr 2020, Predigt und Texte 2021.
Mitwirkende: Dekanatskantorin Sophia Lederer, Posaunenchor Köditz, Organist Jonas Kaufmann, Prädikantin Michaela Wilfert, Pfarrer Michael Grell.
Â
Predigt
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
heut´ richtet sich wieder unser Blick auf dieses kleine Dorf Betlehem. Vor unserem inneren Auge sehen wir zugigen Stall, die schlichte Futterkrippe, die weiten Felder draußen, den hellen Lichtschein und schließlich die Hirten kniend beim Christkind, Maria und Josef, dazu Ochs und Esel.
In Betlehem nahm das alles seinen Anfang. Aber nein, da war sogar vorher schon etwas. Da war schon etwas angebahnt von alters her, das sich jetzt in dem Stall mit der Krippe mit neuer Bedeutung füllte. Schon einige Jahrhunderte zuvor schrieb der Prophet Micha im 5. Kapitel die folgenden Worte:
Und du, Bethlehem Efrata, die du klein bist unter den Städten in Juda, aus dir soll mir der kommen, der in Israel Herr sei, dessen Ausgang von Anfang und von Ewigkeit her gewesen sind.
Indes lässt er sie plagen bis auf die Zeit, dass die, welche gebären soll, geboren hat. Da wird dann der Rest seiner Brüder wiederkommen zu den Israeliten. Er wird aber auftreten und sie weiden in der Kraft des Herrn und in der Hoheit des Namens des Herrn, seines Gottes. Und sie werden sicher wohnen; denn er wird zur selben Zeit herrlich werden bis an die Enden der Erde. Und er wird der Friede sein.
(Micha 5,1-4a)
Liebe Gemeinde,
es war also schon eine Spur gelegt. Dass der Retter in diese Welt kommt, ist also schon angebahnt. So unvermittelt kommt Gott gar nicht in unsere Welt und unser Leben. Auch wir selbst haben schon eine Geschichte mit ihm. Auch wir haben schon eine Geschichte mit seiner geheimnisvollen Geburtsgeschichte.
Als Kinder haben wir mit den Krippenfiguren gespielt, manchmal durften wir sie auch nur staunend ansehen. Die Schafe, der Ochs und der Esel waren da neben dem Kind besonders interessant. Später sind wir in den Mantel der Hirten oder das Kleid der Engel geschlüpft und haben die Geschichte mit anderen gemeinsam gespielt. Als Jugendliche haben wir kritische Fragen gestellt: War das wirklich alles so, wie es berichtet wird? Heute dagegen ist uns manche irritierende Frage gleichgültig. Wir hören die Geschichte als vertrauten Text, der zu Weihnachten gehört.
Wir haben also schon eine Geschichte mit dieser Geschichte. Sie ist also schon angebahnt in unserem Leben. So wie Gottes Kommen sich schon angebahnt hat. Das Christkind ist nicht einfach vom Himmel gefallen. Es hat prominente Zeugen bereits in den Propheten Israels und selbst diese sehen in dem zur Welt gekommenen Gott, den Gott der von Ewigkeit her gewesen ist. Er ist also schon immer da. Das ist ganz wichtig. Gerade, weil uns manchmal das Gefühl umschleicht, er könnte sich aus dem Staub gemacht haben. Aber nein: Er ist da, von Ewigkeit da gewesen. Das ist auch im Blick zurück auf manch kritische Situation in unserem Leben tröstlich.
Er hat sich ganz unverhofft der Maria in der Stimme des Engels offenbart und ebenso unverhofft kam die Botschaft zu den Hirten auf dem Feld in der Nacht. Sie lagerten bei ihren Schafherden. Sie sorgten sich darum, dass alle Tiere sicher leben können, Tag und Nacht. Immer war die Angst da, etwas falsch zu machen. Oft konnte man den Ansprüchen nicht genügen. Würde die eigene Arbeit von anderen recht gewürdigt werden?
Solches treibt auch uns um. Ein weiteres Jahr der Pandemie geht zu Ende. Wir dachten, wir seien nun sicherer. Doch wieder ist Vieles ungewiss. Wo können wir heute einen Funken des Heils erhaschen?
Das Licht der Weihnacht leuchtet in die größte Dunkelheit. Das haben schon viele Generationen vor uns erfahren. Die Hirten haben es gezeigt. Trotz der Dunkelheit, die sie umgab, sind sie losgezogen, weil sie der Botschaft des Engels vertrauten. Sie lebten aus der Erwartung, dass da etwas für sie geschehen sei, was für sie gerade in ihrer Situation bedeutsam sein würde.
Sie kommen und sehen ein Kind in einer Futterkrippe, dazu Maria und Josef und die Tiere. So mögen sie es nicht erwartet haben und doch geht schnell von diesem Kind eine Faszination aus, die sie ganz umfängt. So kommt Gott. So ist Gott da für uns. Weil dieses göttliche Kind in so einfachen Verhältnissen zur Welt gekommen ist, erkennen sie, Gott nicht nur bei den Erfolgreichen und Glücklichen ist. Aber sie verstehen auch, dass sie Gott nicht für ihr Unglück, für ihr Scheitern verantwortlich machen können. Er ist vielmehr in diesem Kind alles umgreifend. Er ist groß, aber ganz klein. Er ist das Glück, aber auch im Unglück da. Er ist bei uns im Erfolg, aber trägt auch unser Scheitern.
Gott ist bei uns, wenn wir die glücklichen Momente unseres Lebens feiern, wo wir einander in Liebe begegnen und das Leben als gesegnet erfahren. Aber er ist auch gerade dann bei uns, wo wir schwach werden, an unseren Kräften scheitern und am Leben leiden. Ja, Gott ist da „still und unerkannt, dir zur Seite“ – Alle Jahre wieder.
Die Hirten erkannten dieses Geheimnis. Sie blieben nicht im Stall verharren, wo sie diese Erfahrung gemacht hatten, sondern gingen wieder hinaus in ihre Welt. Sie hatten die Geheimnisse ihres Lebens, ihr Glück und Unglück, Erfolg und Scheitern, Leid und Freud bei dem Kind abgelegt und vor Gott gebracht. Niemand sonst soll sie wissen als der große Gott allein, der in diesem Kind Mensch geworden ist.
Kein Dorf ist zu klein für diese frohe Botschaft. Nicht in Rom geschieht das Wunder, sondern in Bethlehem. Im Kleinen steckt Vieles verborgen. In uns, die wir der frohen Botschaft vertrauen, steckt Vieles verborgen. Manches schlummert vor sich hin. Manche Gabe will erst noch entdeckt werden. Manches, wird gerade in der Begegnung mit anderen erst für uns und andere bedeutsam.
In dem Kind in der Krippe steckt der spätere Prediger, der Menschen wieder neu mit Gott in Verbindung brachte. In dem Kind steckt der, der durch sein Leben den Frieden auf andere Menschen ausstrahlte und lebte. In dem Kind steckt der leidende Knecht Gottes, der bis ans Kreuz gehen musste. Alles das konnten die Hirten noch nicht wissen, aber vielleicht hatten sie etwas begriffen: Dass in diesem Kind etwas steckt, was menschlichem Sehen für immer verborgen bleibt. Aber genau darin erkannten sie, dass dieses Geheimnis auch die Geheimnisse ihres eigenen Lebens widerspiegelt. Darin lag für sie ein großer Trost.
So mag es auch uns gehen, wenn wir Jahr für Jahr aufs Neue zur Krippe kommen, die Figuren in die Hand nehmen, sie aufstellen und in Gedanken in Maria, Josef, die Hirten schlüpfen. So mag es uns gehen, wenn wir die Erzählung neu hören „Es begab sich aber zu der Zeit…“ und uns die Botschaft des Engels „Fürchtet Euch nicht!“ in unser Herz aufnehmen. Das Geheimnis unseres Lebens liegt da in der Krippen. Und unser altes Leben darf neu werden. Es steckt noch so viel in uns.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.