
Voller Unruhe war diese Woche. Aufgewühlt ist noch immer unsere Seele. Wir feiern Gottesdienst mit den silbernen und goldenen Konfirmationsjubilare der Jahre 2020 und 2021 im Garten der Alten Wagnerei. Schon das allein ist ein kleines Wunder, nachdem auch der Garten und das Museum überflutet waren.Â
Predigt
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde, liebe Jubilare,
kleine Videos und unzählige Bilder zeigten in dieser Woche das Ausmaß der Vernichtung, die Wasser- und Schlammmassen binnen kurzer Zeit angerichtet haben. Die braune Brühe schießt durch einen Garten, nimmt Holzlatten und ganze Teile eines Gartenzaunes mit, ergießt sich über Straße und Wiesen talwärts. „Wahnsinn!“, sagt ein Betrachter, der nur machtlos dastehen und zuschauen kann.
Naturgewalten, die wir nicht in der Hand haben, bestimmen unser Leben. Zerstörerisch können sie sein und alles, was uns etwas bedeutet, dahinraffen. Ungläubig staunend stehen wir da. Es geschieht etwas mit uns, was wir weder in der Hand haben, noch uns vorstellen können. Ins Staunen kommen wir aber auch oft aus freudigen Anlässen. Etwa, wenn uns ein Kind geboren wird oder wenn wir erfüllt davon sind, was andere Menschen uns gutes Tun, obwohl wir es gar nicht erwartet haben.
In solchen Situationen erfahren war das Leben ganz intensiv. Wovon leben wir und wofür sind wir da? Hören wir heute eine Antwort des Evangelisten Johannes:
Das Volk sprach zu Jesus: Was tust du für ein Zeichen, auf dass wir sehen und dir glauben? Was wirkst du?
Unsere Väter haben Manna gegessen in der Wüste,
wie geschrieben steht:
„Brot vom Himmel gab er ihnen zu essen.“
Da sprach Jesus zu ihnen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch:
Nicht Mose hat euch das Brot vom Himmel gegeben,
sondern mein Vater gibt euch
das wahre Brot vom Himmel.
Denn dies ist das Brot Gottes, das vom Himmel kommt
und gibt der Welt das Leben.
Da sprachen sie zu ihm: Herr, gibt uns allezeit solches Brot.
Jesus aber sprach zu ihnen: Ich bin das Brot des Lebens.
Wer zu mir kommt, den wird nicht hungern;
und wer an mich glaubt,
den wird nimmermehr dürsten.
Liebe Gemeinde,
staunend stehen die Menschen da, nachdem der Hunger auf einmal gestillt ist. Sei begreifen nicht, was an ihnen geschehen ist. Fünftausend sind satt geworden. Staunend haben sie es erlebt. So erzählt Johannes die Geschichte zuvor. Und doch breitet sich Skepsis darüber aus, was da jetzt geschehen ist.
Auch wir sind satt, haben genug zu Essen, müssen nicht Mangel leiden. Selbst in Zeiten der Pandemie brach nur für kurze Zeit eine gewisse Einkaufshysterie aus. Und doch versuchen wir das, was uns geschieht, zu begreifen. Erst die Folgen der Pandemie in langen Zeiten der Distanz voneinander. Nun die Folgen von Unwetter und Katastrophe. Kaum einen lässt das noch unberührt, wenn Existenzen auf dem Spiel stehen. Da wachsen die Aufgaben einem über den Kopf. Die lange Zeit zu Hause hat uns müde gemacht, sie hat gestresst. Darüber hinweg sind wir noch lange nicht.
Es gibt Momente, da warten wir auf ein Zeichen von Gott. Da macht sich bei uns auch die Skepsis breit: Wie wirkst Du, Gott, an uns? Jesus, gib uns ein Zeichen, damit wir dich selbst und dein Wirken sehen.
Konfirmanden in ihrem jugendlichen Drang verlangen schnell nach solchen Antworten. Auch wir verlangen danach, wie das Volk, von dem Johannes berichtet.
Sie wussten: Das Manna in der Wüste versprach kurzzeitig Hilfe. Es war ein tröstendes Brot, das über den Tag hinweghalf. Jeden Tag neu staunten sie über dieses Geschenk. Aber so schnell, wie es gekommen war, war es auch schon wieder verzehrt. So ist es mit den Momenten, die uns ins Erstaunen versetzen. Ob gefährlich oder freudig. Sie währen nur kurze Zeit. Aber sie verbinden uns mit einem Grund unseres Daseins: mit dem Leben selbst. Sie zeigen uns die Grenzen unseres Tuns auf. Sie zeigen, es geschieht etwas mit uns, das wir nicht letztlich in der Hand haben, so schwierig es auch ist, das zu akzeptieren.
Darum lenkt Jesus den Blick der Leute zum Himmel. Von dort kommt dieses Brot, das das wahre Leben verspricht. Dort hat unser Leben seinen letzten Grund und Anker. Nicht Mose hat es mit menschlicher Kraft hervorgerufen. Nicht einem Menschen, sondern Gott selbst haben wir unser Leben zu verdanken und das, was wir – wie das täglich Brot – dazu brauchen.
Manchmal übersieht man das. Zum Beispiel in der Situation des Schockes. Oder wenn man eifrig dabei ist, anderen zu helfen: Essen und Trinken. Essen und Trinken sind nicht nur lebensnotwendig, um die Kräfte zu bewahren, sie stehen hier in dem Wort Jesu für das, was unser Leben als Ganzes ausmacht. Das wahre Brot kommt vom Himmel. Es sättigt für das Leben mit all seinen Herausforderungen. Es ist ein Zeichen für ihn, den Christus, selbst.
„Ich bin das Brot des Lebens!“, sagt er den Zweiflern. Es ist deswegen Stärkung, weil ich Euer Leiden an der Welt, Euere Zweifel, Eure Sorgen getragen habe. Ich leide mit dir. An diesem Brot klebt mein Tod, aber auch die Hoffnung, dass dieses Leben nicht alles ist, sondern vollendet wird in der Auferstehung zum ewigen Leben.
„Ich bin das Brot deines Lebens!“ – Es ist das Brot, das die Fülle des Lebens verspricht mit all ihren Freuden und dem Dank für Bewahrung. Wie oft sind wir auch in schwierigen Situationen bewahrt worden, wenn wir zurückblicken.
Sie, liebe Jubilare, blicken heute auch dankbar zurück auf einen längeren Lebensabschnitt von 25 oder 50 Jahren. Vieles hat sich in ihrem Leben verändert. Immer wieder mussten sie neue Entscheidungen treffen. Sie haben glückliche Zeiten der Liebe und Freude in der Familie erlebt. Auch Schweres war dabei, was sie gemeinsam mit Freunden und Verwandten getragen haben. Der Glaube ist immer wieder herausgefordert, aber der Segen Gottes bleibt. Sein Wort bleibt, dass dieses Brot, dass ihr einst bei Eurer Konfirmation zum ersten Mal empfangen habt, auch heute noch Brot zum Leben für Euch ist.
Wenn wir dieses Brot essen, dann teilen wir es. Wir teilen unsere Freude und unseren Dank für die Situationen, in denen uns Gott bewahrt hat. Wir teilen unsere Sorgen und Ängste, die unser Leben manchmal dunkel machen. Wir stehen beieinander und sehen aufeinander und bleiben damit in der Nachfolge Jesu Christi.
Das alles brauchen wir jetzt: Leben mit diesem wahren Brot, Jesus Christus. Die Pandemie bleibt vermutlich noch. Das Aufräumen wird einmal ein Ende haben. Aber das Wissen darum, dass wir verletzlich bleiben, wird uns anhaften bleiben. Das muss nicht schlimm sein, wenn es zu neuem Zusammenhalt und einem Bewusstsein führt: Wir stehen zusammen. Denn davon leben wir.
Von diesem Brot des Lebens, Jesus Christus. Wenn wir es miteinander teilen, teilen wir Freud und Leid. Heute und hier und draußen in unseren Familien, Freundeskreisen und unseren Dörfern.
Und Christus in unserer Mitte.
Amen.