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Lampiongottesdienst am 19. Juni

Still ist die Nacht, laut ist die Nacht, anregend ist die Nacht.Ein Gottesdienst für einen lauen Sommerabend bei Kerzenschein mit Gedichten, Gedanken und einem Wort der Sehnsucht nach der Gemeinschaft in Gottes weitem Haus.

 

Fotos: Michaela Wilfert, Kerstin Mohr, Katrin Schödel, Michael Grell.

 

 

Mondnacht

von Joseph v. Eichendorff

Es war, als hätt der Himmel
Die Erde still geküsst,
Dass sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müsst.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.

 

Psalm 23

Der Herr ist mein Hirte,
mir wird nichts mangeln.
Er weidet mich auf einer grünen Aue
und führet mich zum frischen Wasser.
Er erquicket meine Seele.
Er führet mich auf rechter Straße
um seines Namens willen.
Und ob ich schon wanderte im finstern Tal,
fürchte ich kein Unglück;
denn du bist bei mir,
dein Stecken und Stab trösten mich.
Du bereitest vor mir einen Tisch
im Angesicht meiner Feinde.
Du salbest mein Haupt mit Öl
und schenkest mir voll ein.
Gutes und Barmherzigkeit
werden mir folgen mein Leben lang,
und ich werde bleiben
im Hause des Herrn immerdar.

 

Gedanken zur Besinnung

Still ist die Nacht.
Der Wind rührt kein Blättchen.
Die Zeit vergeht so langsam.
Wieder schlägt die Turmuhr.
Die Schmerzen hämmern.
An Schlaf ist nicht zu denken.
Unruhig ist diese stille Nacht.
Unruhig bin ich.
Die Stille macht mich ganz verrückt.
Keiner spricht ein Wort.
Ist da noch jemand, der mich hört?

Laut war die Nacht.
Von den Balkonen und Gärten der Nachbarn,
hinten und vorne – hört man Stimmen.
Es regt sich wieder das Leben.
Ein Lachen, das aus dem tiefsten Inneren kommt.
Musik, die Ausdruck purer Lebensfreude ist.
Und das Klirren der Flaschen,
die aneinanderstoßen am gedeckten Tisch.
Schön und warm ist diese laue Nacht.

Anregend war die Nacht.
Mit lieben Menschen ins Gespräch vertieft.
Die Zeit vergessend.
Jeder gibt etwas von sich hinein.
Mit Freude und miteinander lachend.
Die Gemeinschaft und die Liebe feiernd.
Dann wird es auf einmal ganz ernst.
Es fließen Tränen. Trauer.
Aber auch das hat Raum in der Nacht,
wird miteinander geteilt.
Erfahren, dass man getragen ist
und geliebt.

Ob still, laut oder ins Gespräch vertieft –
Einer ist mit dabei,
bei allem, was wir tun.
Gott wenden wir uns zu.
Er schenkt uns Zeit zum Leben
in seiner weiten Welt.

Amen.

 

 

Predigt

Lukas 15,1-10

Es nahten sich Jesus alle Zöllner und Sünder,
um ihn zu hören.
Und die Pharisäer und die Schriftgelehrten murrten
und sprachen:
Dieser nimmt die Sünder an und isst mit ihnen.
Er sagte aber zu ihnen dies Gleichnis und sprach:
Welcher Mensch ist unter euch, der hundert Schafe hat
und, wenn eines von ihnen verliert,
nicht die neunundneunzig in der Wüste lässt
und geht dem verlorenen nach, bis er´s findet?
Und wenn er´s gefunden hat,
so legt er sich´s auf die Schultern voller Freude.
Und wenn er heimkommt,
ruft er seine Freunde und Nachbarn
und spricht zu ihnen: Freut euch mit mir;
denn ich habe mein Schaf gefunden, das verloren war.
Ich sage euch: So wird auch Freude im Himmel sein
über einen Sünder, der Buße tut,
mehr als über neunundneunzig Gerechte,
die der Buße nicht bedürfen.

 

Liebe Gemeinde,

„warum geht der denn schon wieder seine eigenen Wege. Also echt. Der scho widder! Immer muss mer auf ihn aufpassen. Oder warten, bis er wieder da ist. Oder sich Sorgen machen, was er wieder für Dummheiten anstellt. Also echt!“

„Da haben wir jetzt aber mal die Nase gestrichen voll. Müssen wir uns eigentlich immer um alle kümmern? Wenn sie meinen, dass es das Virus nicht gibt, sollen sie doch sagen, was sie wollen. Irgendwo muss ja schließlich mal eine Grenze sein. Müssen wir wirklich – weil wir Kirche sind – alle verstehen?“

„Nein, da gehe ich nicht mehr hin. Das zieht mich zu sehr runter. Das kann ich nicht alleine alles tragen. Seine dunklen Gedanken betrüben mich, machen mich unsicher. Ich könnte mich in den Dunkelheiten verlieren. Das raubt mir alle Energie, mich dagegen zu stemmen. Ich bin der letzte, der ihn noch sieht.“

Grenzen setzen wir immer wieder im Alltag. Oft geschieht es unbewusst, und wir haben gar nicht gemerkt, dass wir mit unseren Worten, unserem Verhalten andere ausgegrenzt haben. Manchmal geschieht es sehr bewusst, um sich selbst zu schützen und abzugrenzen, oder mal einen neuen Weg zu gehen.

Grenzen haben erst einmal prinzipiell nichts Schlechtes an sich. Wir brauchen sie, um uns zu orientieren. Aber es gibt auch Situationen, da werden Grenzziehungen hinderlich und gefährlich.

99 Schafe warten auf den Hirten, der das eine sucht. Warum ist es denn nicht bei der Herde geblieben? Das wäre doch so einfach. Aber manchmal ist es zu einfach gedacht.

Wir grenzen uns immer wieder ab. Von unseren Eltern haben wir uns in bestimmten Bereichen abgrenzen müssen, um als Jugendliche, Erwachsene den eigenen Weg ins Leben zu finden. Wenn die Gegenwart anderer Menschen uns nicht guttut, dann müssen wir eine Grenze ziehen, auch wenn es schwerfällt. Was ist, wenn der andere gar keine wichtigen Kontaktpersonen mehr hat und dann ganz allein dastehen würde?

Dass ein junges Schaf seinen eigenen Weg in der Fremde sucht, daran ist nichts verwerflich. Es bleibt ja im besten Sinne noch in Kontakt mit den anderen, aber es sucht neue Beziehungen. Schwierig wird es, wenn es die Gemeinschaft als solche in Frage stellt und zerreißt. Wo die Beziehung zweier Menschen in einer Familie in die Brüche geht, sei es in der Ehe oder zwischen den Generationen, dort sind meist auch mehr als diese zwei betroffen. Die 99 Schafe sind mit dabei in der Geschichte von dem einen, das sich von der Herde getrennt hat. Es sind immer mehrere betroffen.

Das Bedürfnis sich vom Trubel der Welt zurückzuziehen in die Stille kennen wir alle. Es kommt in den romantischen Gedichten und Liedversen besonders schön zum Ausdruck. Im besten Sinne können wir in der Stille neue Gedanken fassen und neue Kraft schöpfen. Das ist erst einmal gut und befreiend.

In den Gedichten liegt in diesem Rückzug von der hektischen Welt aber auch das Gefühl des Schmerzes. Es ist ein Schmerz, der sich sogleich einstellen kann, wenn man in der Stille die Einsamkeit spürt – so losgelassen von der Welt.

Das eine Schaf – wo ist es eigentlich hin? – das wird nicht näher gesagt, außer: Es ist verloren. Es ist zugrunde gegangen, verdorben, ja ist es überhaupt noch am Leben? Das griechische Wort für „verloren“ schillert in seiner Bedeutung bis zum gewaltsamen Tod. Es ist vernichtet, zugrunde gerichtet, so verloren, dass es nicht wieder von selbst aufzustehen vermag.

Wenn die Einsamkeit schmerzt, ist eine Grenze überschritten, sagen wir. Dann tut sie uns nicht mehr gut, diese Grenzziehung. Ist der Rückzug in die Stille doch nicht das Paradies, dass die Romantik vor Augen malt? Wieder einmal kommt niemand vorbei. Die Jungen haben ihr eigenes Leben. Wieder sind wir auf uns selbst zurückgeworfen. Allein. Schon so lange hungert die Seele nach Begegnung und Gesellschaft. Wird das überhaupt nochmal anders werden?

Da ist der Hirte, der sucht und nachgeht. Er ist auch dann noch da und ruft uns, wo wir uns verloren fühlen. In der Krankheit, im Leiden, in der Angst davor, verloren zu gehen, in der Einsamkeit.

Er sucht ohne Aufhebens. Und er freut sich über das Gefundene. Er teilt diese Freude mit den Nachbarn und Freunden. Er will mit seiner Freude nicht allein bleiben.

Wir sind nicht dazu gemacht, auf Dauer allein zu sein. Das steht schon ganz am Anfang der Bibel. Gottes Geschöpfe sind gesellige Wesen. Sie sind auf Gemeinschaft hin angelegt. Wir sind Teil dieser Schöpfung in Gottes Natur hineingestellt wie in einen Garten, die werte Blum, die als eine unter Vielen ihre Farbe zum Leuchten bringt.

Freude wird sein im Himmel.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
als flöge sie nach Haus.

Ob die 99 Schafe sich auch freuen, wird nicht gesagt. „Der scho widder. Erst ausbüchsen und dann sollen wir den alt´n Scherm a noch aufnemma!“ Die Gemeinschaft in Gottes Schöpfung fordert uns heraus – immer wieder neu. Aber wir alle sind des Schutzes und Schirmes bedürftig, den Gott über uns spannt. Wir sind seiner Liebe und der Liebe unseres Nächsten bedürftig.

Die Grenzen, die wir ziehen, mal bewusst, mal unbewusst, können andere ausschließen. Auch wir selbst können auf der anderen Seite stehen, allein. Gottes Freude ist groß, wenn diese Grenzen, so wichtig sie manchmal sind, nicht auf immer bleiben müssen. Gottes Freude ist groß, wo wir sie als Anlass sehen, uns selbst zu hinterfragen und dazu beitragen, sie zu überwinden. Gottes Freude ist groß über jeden, der umkehrt und sich neu auf die Gemeinschaft mit ihm und die anderen einlässt.

Diese Sehnsucht nach einer Gemeinschaft, die Halt und Orientierung gibt, in der keiner ausgeschlossen bleibt, steckt tief drinnen in uns. Wir sind Teil von Gottes guter Schöpfung – in seinem großen Haus. Niemand ist darin verloren, solange Gott uns sucht, alle trägt, was uns belastet und sich freut darüber, dass wir uns selbst als sein Kind verstehen. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.