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Gottesdienst am 13. Februar

„Eigenlob stinkt!“ – Um das Rühmen und Loben geht es im heutigen Gottesdienst am Sonntag Septuagesimae. Hören sie hier die Predigt von Pfarrer Michael Grell.

 

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

„Eigenlob stinkt!“ – dieses Sprichwort ist uns allen bekannt und gewissermaßen eine immerwährende Richtschnur im Alltag. Es trifft einen wahren Kern. Wir erwischen uns immer wieder mal dabei, dass wir unser Verhalten über den grünen Klee loben. Wir wollen uns selbst ins rechte Licht rücken. Auch wenn wir dabei durchaus gute Absichten hegen.

Manchmal geschieht dies sogar auf eine ganz besondere Weise, die Wilhelm Busch trefflich karikiert:

Die Selbstkritik hat viel für sich.
Gesetzt den Fall, ich tadle mich;
So hab ich erstens den Gewinn,
das ich so hübsch bescheiden bin;

Zum zweiten denken sich die Leut´,
Der Mann ist lauter Redlichkeit;
Auch schnapp ich drittens diesen Bissen
vorweg den andern Kritiküssen;

Und viertens hoff´ ich außerdem
Auf Widerspruch, der mir genehm.
So kommt es denn zuletzt heraus,
Dass ich ein ganz famoses Haus.

Eine gewisse kritische Haltung zum Eigenlob gehört also zum allgemeinen Volkswissen. So könnte man auf den ersten Blick sagen, dass die Worte des Propheten Jeremia, die uns heute als Predigttext gegeben sind, nur die biblische Form des Bekannten sind. Jeremia schreibt:

So spricht der Herr:
Ein Weiser rühme sich nicht seiner Weisheit,
ein Starker rühme sich nicht seiner Stärke,
ein Reicher rühme sich nicht seines Reichtums.
Sondern wer sich rühmen will,
der rühme sich dessen,
dass er klug sei und mich kenne,
dass ich der Herr bin,
der Barmherzigkeit, Recht
und Gerechtigkeit übt auf Erden;
denn solches gefällt mir, spricht der Herr.

(Jer 9,22+23)

 

Liebe Gemeinde,

dieses Prophetenwort ist ein Gotteswort. Es hat Gewicht. Es ist nicht nur so dahingesprochen als ein Satz, den man sagt und der schnell wieder weg ist. Aus dem Munde Gottes kommen diese Worte.

Bei einem solchen Wort besteht die Gefahr, dass der Mensch ganz und gar klein wird, denn Gottes Wort wirkt mächtig. Menschliche Weisheit, menschliche Macht und Stärke, menschlicher Reichtum zählen vor Gott dann gar nichts. Gott ist viel stärker. Gott ist viel größer. Gott ist der alles umgreifende Eine.

Dann gilt der irdische Reichtum nichts und es dürfen die schon mal grundsätzlich kritisiert werden, die viel haben. In der Tat ist das ja auch immer wieder schick. Die Öffentlichkeit knöpft sich immer gerne die Reichen vor, sobald sie sich einer unmoralischen Übertretung verdächtig gemacht haben. Wollte nicht Gott, wollte nicht Jesus gerade die Armen in den Mittelpunkt rücken?

Auch wäre alle irdische Weisheit nichts nütze, denn Gott ist größer als menschliches Wissen. Zum Jahreswechsel meinte ein Kollege in einem Radiointerview, er brauche die Impfung nicht, er habe da andere Methoden. Auf Nachfrage des Journalisten zog er sich auf den Standpunkt zurück, Gott werde ihn schon da durchführen. Der emeritierte Papst, selbst zeitlebens ein präziser Gelehrter der Weisheit, nimmt es mit den gesicherten Erkenntnissen der Justiz offenbar nicht so genau und flüchtet sich in den Gedanken, er habe Gott als Freund und Bruder schon an seiner Seite.

Wir merken schon, dass es nicht ganz so einfach ist, wie wir manchmal meinen. Wer sich bei seinem Rühmen und Vergleichen auf Gott beruft, der muss genau hinsehen. Es lohnt in jedem Fall auch ein zweiter kritischer Blick auf unser Prophetenwort.

Es ist ja nicht der Reichtum an sich oder die Weisheit, die hier von Gott in Frage gestellt werden. Sie sind es nicht, die schlecht sind. Schlecht kann allein der Umgang des Menschen damit sein. Das ist es, was in diesem Gotteswort besondere Aufmerksamkeit verdient.

Dem steht auch kein starres Gottesbild gegenüber, das Gott als den denkt, der sich von der Welt abschließt. Jeremia redet vielmehr von dem Gott, den es zu kennen lohne, weil er Barmherzigkeit will, Recht und Gerechtigkeit.

Und das fordert Gott auch von uns. Dazu ist sein richtendes Wort aus dem Munde des Propheten da. Es möge uns kritisch aufrichten und stärken in unserem Tun. Dann ist Reichtum nicht an sich schon verwerflich, sondern der, der ihn besitzt, soll damit alles tun, damit Recht und Gerechtigkeit zur Geltung kommen. Er soll eingesetzt werden, um den Zusammenhalt in der Gesellschaft zu erhalten. Was dem Leben und dem Miteinander im Frieden dient, das soll geübt werden. Dazu will Gottes richtendes und aufrichtendes Wort uns verhelfen.

Jesus erzählt nicht umsonst diese Geschichte von den Arbeitern im Weinberg in Form eines Gleichnisses für das Himmelreich. Es ist eine Geschichte, die den Alltag unterbricht, indem wir hören auf das, was uns selbst in Frage stellt. Unsere gewöhnlichen Vorstellungen von einem gerechten Lohn für eine angemessene Arbeitszeit werden karikiert. Das ist nicht gerecht, würden wir sofort mit den Arbeitern der erste Stunde einstimmen. Der Herr verweist auf den ausgehandelten Silbergroschen. Das klingt hart. Der allmächtige Gott zeigt sich mit seiner dunklen Seite. Aber dieser Gott will das Leben. Nicht der Silbergroschen an sich ist schlecht, sondern unser Umgang damit. Ein jeder kann so viel mit den Gaben tun, die ihm anvertraut sind. Jesus will mit dem Gleichnis das Nachdenken darüber anregen. Es ist als eine Rückenstärkung zu verstehen für die, die dem Gott der Gerechtigkeit und des Rechts, dem Gott der Barmherzigkeit zur Geltung verhelfen wollen.

So rühmen wir Gott am Besten und Meisten: In einem Leben, in dem wir uns nicht einschließen mit dem, was wir zu besitzen meinen. Weder mit Reichtum noch mit Wissen, noch mit einem vorschnell vereinnahmten Gott, der schon auf meiner Seite stehen wird, wenn´s eng wird.

Dagegen will ich meinem Gott vertrauen, der mich frei macht von aller Selbstbezogenheit. Meinem Gott, der mich aufrüttelt und verunsichert, der auch mal etwas in Frage stellt, damit das „Weiter so“ nicht immer so weitergeht. Von diesem Gott reden Jeremia und Jesus gleichermaßen. Er ist mein Gott, der mich frei macht, die irdischen Güter zu nutzen, damit Recht und Gerechtigkeit eingehalten werden können. Diesem meinen Gott will ich rühmen, der mir Weisheit schenkt und die Kraft, meinen Verstand zu nutzen.

So Gott zu Vertrauen birgt immer ein gewisses Wagnis, denn ich muss mich selbst in Frage stellen lassen. Nicht Reichtum, Wissen und Stärke stehen in Frage, ich selbst bin es mit meinem Tun. Wilhelm Busch karikiert es tiefsinnig, das alte deutsche Sprichwort bringt es treffend auf den Punkt. Die biblischen Worte jedoch bleiben nicht dabei stehen. Sie weisen einen Weg in eine Zukunft, in der Gott auch mit unserer Hilfe seine Barmherzigkeit und seinem Recht zur Geltung in dieser Welt verhelfen will.

Erst dann kann auch jenen Recht zuteilwerden, die als Opfer von erlittener Gewalt leiden mussten und noch müssen. Erst so weitet sich der Blick auf unsere irdischen Gemeinschaften, in denen es aktiv Wege der Besserung zu gestalten gilt. Erst dann können wir uns als Teil einer Gemeinschaft sehen, in der es auch auf uns Starke ankommt, um den Schwachen zu helfen.

Zu solchem kritischen, selbstkritischen Blick verhelfe Gott uns immer wieder neu.

Amen.