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Gottesdienst am 6. Juni

Da kam ein großes Ungewitter. Leider wieder kein Gottesdienst im Garten. In der Predigt geht es heute auch nass zu. Jona, der mit dem Walfisch, ringt mit sich und Gott. Predigt von Pfarrer Michael Grell am 1. Sonntag nach Trinitatis.

 

 

 

Predigt

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

langsam regt sich wieder was. Langsam kehrt das Leben zurück. Sich wieder raus wagen zu dürfen aus den eigenen vier Wänden, die Sicherheit versprachen, ist eine Wohltat. Sich wieder treffen zu dürfen mit ein paar wenigen Personen, tut gut.

Zwischen der letzten und der nächsten Welle liegt das Versprechen eines entspannten Sommers. Die Wellen gingen nicht spurlos an uns vorüber. Trotz der Versprechungen neuer Freiheiten, bleiben wir zögerlich. Wir haben zu oft schon erfahren, dass es wieder anders kommen kann.

Von einem, über den die Wellen des Meeres zusammenschlugen, ist heute im Predigttext die Rede. Er hat sich ihnen ausgesetzt, aber auch sie gingen nicht spurlos an ihm vorüber.

Hört das erste und zweite Kapitel aus dem Buch Jona im Alten Testament:

 

Es geschah das Wort des Herrn zu Jona,
dem Sohn Amittais:

Mache dich auf und geh in die große Stadt Ninive
und predige wider sie;
denn ihre Bosheit ist vor mich gekommen.
Aber Jona machte sich auf und wollte vor dem Herrn
nach Tarsis fliehen
und kam nach Jafo.
Und als er ein Schiff fand, das nach Tarsis fahren wollte,
gab er Fährgeld und trat hinein,
um mit ihnen nach Tarsis zu fahren,
weit weg vom Herrn.

Da ließ der Herr einen großen Wind aufs Meer kommen,
und es erhob sich ein großes Ungewitter auf dem Meer,
dass man meinte, das Schiff würde zerbrechen.
Und die Schiffsleute fürchteten sich und schrien,
ein jeder zu seinem Gott,
und warfen die Ladung, die im Schiff war, ins Meer,
dass es leichter würde.
Aber Jona war hinunter in das Schiff gestiegen,
lag und schlief.

Da trat zu ihm der Schiffsherr und sprach zu ihm:
Was schläfst du?
Steh auf, rufe deinen Gott an!
Vielleicht wird dieser Gott an uns gedenken,
Dass wir nicht verderben.
und einer sprach zum andern: Kommt, wir wollen losen,
dass wir erfahren, um wessentwillen es uns so über geht.
Und als sie losten, traf´s Jona.

Da sprachen sie zu ihm:
Sage uns, um wessentwillen es uns so übel geht?
Was ist dein Gewerbe, und wo kommst du her?
Aus welchem Lande bist du, und von welchem Volk bist du?
Er sprach zu ihnen: Ich bin ein Hebräer
und fürchte den Herrn, den Gott des Himmels,
der das Meer und das Trockene gemacht hat.
Da fürchteten sich die Leute sehr und sprachen zu ihm:
Was hast du da getan?

Denn sie wussten, dass er vor dem Herrn floh;
denn er hatte es ihnen gesagt.

Da sprachen sie zu ihm: Was sollen wir denn mit dir tun,
dass das Meer stille werde und von uns ablasse?
Denn das Meer ging immer ungestümer.
Er sprach zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer,
so wird das Meer still werden und von euch ablassen.
Denn ich weiß, dass um meinetwillen
dies große Ungewitter über euch gekommen ist.
Doch die Leute ruderten, dass sie wieder ans Land kämen;
aber sie konnten nicht,
denn das Meer ging immer ungestümer gegen sie an.
Da riefen sie zu dem Herrn und sprachen:
Ach, Herr, lass uns nicht verderben
um des Lebens dieses Mannes willen
und rechne uns nicht unschuldiges Blut zu;
denn du, Herr, tust, wie dir´s gefällt.

Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer.
Da wurde das Meer still und ließ ab von seinem Wüten.
Und die Leute fürchteten den Herrn sehr
und brachten dem Herrn Opfer dar und taten Gelübde.
Aber der Herr ließ einen großen Fisch kommen,
Jona zu verschlingen.
Und Jona war im Leibe des Fisches
drei Tage und drei Nächte.
Und Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott,
im Leibe des Fisches. (…)

Und der Herr sprach zu dem Fisch,
und der spie Jona aus ans Land.

 

 

Liebe Gemeinde,

auf hoher See spielt sich eine dramatische Szenerie ab. Die Schiffsleute sind ihrer Verzweiflung nahe. Sie flüchten sich ins Gebet. Herr, hilf aus diesem Unwetter, bitten sie. Sie drängen Jona mit einzustimmen. Aber der findet keine Worte als diese: Werft mich über Bord.

Jona schlägt eine andere Richtung ein als die, die für ihn vorgesehen war. Selbst Gott muss mit zu sehen, wie sein Prophet einfach in die andere Richtung davonläuft. Hinunter ans Meer zieht es ihn, um mit einem Schiff weit weg vom Herrn zu fahren.

Als es auf See gefährlich wird und der Sturm beginnt, zieht er sich noch weiter zurück, geht einfach hinunter in das Schiff und schläft. Von seiner Absicht, dem Herrn zu entfliehen, hat er offenbar den Schiffsleuten erzählt. Der Mann mit Gottes Auftrag verweigert den Auftrag, auch dann noch als die Schiffsleute sich mit ihm solidarisch erklären.

Wahrscheinlich waren sie Vieles gewöhnt. So ein Sturm hat sie nicht zum ersten Mal getroffen. Das Gebet in der Not war ihnen offenbar vertraut. Sie bringen aber auch Verständnis auf für einen, dem das Beten abhanden gekommen ist. Vielleicht haben sie selbst schon solche Situationen erlebt, in denen sie nicht einmal mehr beten konnten.

„Da konnte ich nicht einmal mehr beten.“, habe ich schon manches Mal gehört. Es klingt wie eine erstaunte Bemerkung über sich selbst. Was muss einem Menschen zugestoßen sein, dass er keine Worte mehr findet; dass er Gott keine Macht mehr über sein Leben zugestehen will.

Aber Gott zeigt sich mit aller Macht und Gewalt der Naturgewalten in dieser wundersamen Geschichte. Wind, Meer und Wellen bietet er auf. Doch Jona ignoriert diese Macht konsequent bis er noch einmal ein Stockwerk tiefer fällt, hinein ins Meer. Verloren scheint er, aber doch nicht verlassen.

Gott ruft ein Tier zur Rettung. Der Walfisch bietet in seinem Bauch für Jona einen Ort der Sicherheit. Drunten in der Tiefe, wo alles dunkel ist, wird es ihm anders. Er ist allein, von jeder Menschenseele verlassen. Plötzlich vertraut er der Macht des Gebetes neu. Woher kommt dieser Sinneswandel?

Das wird nicht gesagt. Es ist auch nicht gesagt, dass sich Gott durch das Gebet Jonas beeinflussen lässt. Es heißt nicht: Weil Jona gebetet hat, lässt ihn der Walfisch wieder frei. Aber doch ist spürbar: Das Gebet hat Macht. Es hat Macht, nicht weil es mit großer Inbrunst gesprochen oder mit besonderen Worten, sondern weil Jona plötzlich neu Vertrauen fasst, weil er glaubt, dass Gott ihn aus seiner Verlassenheit befreit.

Kleine und größere Fluchten kennen auch wir. Manchmal sind andere noch solidarisch mit uns, wenn es schon längst an der Zeit wäre, sich einzugestehen, dass man einen Fehler gemacht hat. Die Sicherheit hat sich als trügerisch erwiesen. Der Sturm braust schon, aber man will ihn nicht wahrhaben. Eine gewisse Sturheit gehört dazu, wenn man ihn nicht wahrnimmt.

Dennoch ist ein neuer Anfang möglich. Gott befreit Jona aus seiner Isolation. Der Fisch speit ihn aus. Er fühlt wieder die wärmende Sonne auf seinem Rücken. Er besinnt sich aufs Neue darauf, was es für ihn zu tun gibt. Er fängt neu an.

Wir waren im letzten Jahr ständig herausgefordert neue Entscheidungen zu treffen und Verantwortung zu übernehmen. Nicht immer haben wir dabei die richtigen Wege gefunden. Nicht immer haben die politisch Verantwortlichen das richtige Maß gefunden. Das hat verunsichert, besonders in den letzten Monaten.

Vielleicht ist es notwendig, auch dort, wo wir Fehler gemacht haben, diese zu seiner Zeit zu benennen und einzugestehen, um neu beginnen zu können. Manche Welle hätte sich vielleicht nicht so aufgetürmt, wenn frühzeitiger gehandelt worden wäre. Manches Leid, mancher Tod hätte verhindert werden können.

Im Blick auf die eine Welt, in der wir leben, ist es notwendig, unserer Verantwortung gerecht zu werden. Was den Menschen in anderen Ländern hilft, hilft am Ende auch uns. Nie war diese Botschaft der Rücksicht und Liebe zum Nächsten so universal, wie in dem Jahr dieser Pandemie.

Langsam regt sich wieder das Leben. Fragen wir uns noch: Was soll anders werden nach der Pandemie? Oder wollen wir nur möglichst schnell wieder unser Leben von früher zurückhaben? Im neuen Leben wird manches anders werden als zuvor, auch wenn wir dieselben Menschen bleiben. Jona machte sich auf und ging los, um seiner Verantwortung gerecht zu werden. Bleiben wir wachsam für das, was jetzt an der Zeit ist.

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.