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Gottesdienst am 30. Januar

Die Klarheit des Herrn leuchtete um sie. – Von dem hellen Licht, das Gottes Herrlichkeit für unser Leben bereit hält, hören Sie im heutigen Gottesdienst zum letzten Sonntag nach Epiphanias. 

 

Predigt

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

es war vielleicht eine Woche nach dem 6. Januar, da erhielt ich eine Nachricht: „Am Baum an der Kerng brenna immer noch die Lichter.“ Es war die Zeit, in der die Sterne und Lichter in den Fenstern so ziemlich verschwunden waren und auch die mit Lichterketten geschmückten Bäume in den Vorgärten. Nur an der Kerng steht noch der Baum.

Auch in der Kreuzkirche steht noch der Baum. Seit einigen Jahren immer bis zum Ende der Epiphaniaszeit. Dafür gibt es auch gute Gründe. Es ist ja noch weihnachtliche Freudenzeit. Aber nun ist es langsam auch mal genug. Der Lichterglanz des Weihnachtsfestes ist Ende Januar zur Erinnerung geworden. Es ist Zeit, Sterne und Bäume wegzuräumen, denn nur so kann es nach einem Jahr diesen kostbaren Moment wieder geben, wenn die verborgenen Schachteln mit Sternen und Kugeln erneut zum Vorschein kommen. Kostbar ist das Besondere.

Von kostbaren Momenten, die unser Leben neu erstrahlen lassen, erzählen die Geschichten des heutigen letzten Sonntags nach Epiphanias. Hört den Predigttext aus dem zweiten Buch Mose im 34. Kapitel, die Verse 29 bis 35:

 

Als Mose vom Berg Sinai herabstieg,
hatte er die zwei Tafeln des Gesetzes in seiner Hand
und wusste nicht, dass die Haut seines Angesichts glänzte,
weil er mit Gott geredet hatte.
Als aber Aaron und alle Israeliten sahen,
dass die Haut seines Angesichtes glänzte,
fürchteten sie sich, ihm zu nahen.

Da rief sie Mose,
und sie wandten sich wieder zu ihm,
Aaron und alle Obersten der Gemeinde,
und er redete mit ihnen.
Danach nahten sich ihm auch alle Israeliten.
Und er gebot ihnen alles,
was der Herr mit ihm geredet hatte
auf dem Berg Sinai.

Und als er dies alles mit ihnen geredet hatte,
legte er eine Decke auf sein Angesicht.
und wenn er hineinging vor den Herrn,
mit ihm zu reden,
tat er die Decke ab, bis er wieder herausging.
und wenn er herauskam
und zu den Israeliten redete,
was ihm geboten war,
sahen die Israeliten,
wie die Haut seines Angesichts glänzte.
Dann tat er die Decke auf sein Angesicht,
bis er wieder hineinging, mit ihm zu reden.

(2. Mose 34,29-35)

 

Liebe Gemeinde,

Mose musste etwas Besonderes erlebt haben. Sein Angesicht strahlte so sehr, dass es unübersehbar war, als er wieder vom Gottesberg herabkam. Die beiden Gebotetafeln in der Hand setzte er sich gleich mit den Vertretern seines Volkes zusammen. Sie waren zunächst beeindruckt und geblendet von diesem sonderbaren Leuchten. Nachdem er aber mit ihnen geredet, von Gottes Geboten und Worten erzählt hatte, die er am Berg hören durfte, wich ihre Furcht dahin.

Mose nimmt dann eine Decke, um dieses besondere Leuchten in seinem Angesicht zu verbergen. Über den tieferen Sinn dieses Tuches ist oft gerätselt worden. Mose nimmt es nur ab, wenn er im Gotteszelt mit Gott selbst redet. Draußen bleibt den Anderen dieses Besondere immer nur kurze Zeit sichtbar. Dann ist es verhüllt. Moses Angesicht ist verhüllt.

Der tiefere Sinn dieses Tuches ist jedenfalls nicht das, was die kirchliche Kunst über Jahrhunderte hinweg aus ihm gemacht hat: Dieses Tuch wurde der personifizierten Synagoge vor die Augen gebunden, während der ebenfalls als Person dargestellten Kirche der freie Blick gebührte. So wurde Mose mit dem Tuch umgedeutet. Dem Judentum, so die Auffassung der Kirche, blieb der wahre Zugang zu Gott verschlossen. Der Kirche dagegen seien die Augen durch Christus zum Heil geöffnet.

Dieses Missverständnis offen zu benennen ist gerade auf dem Hintergrund eines neu entstehenden Antisemitismus wichtig. Oft sind es ja solche einfachen Sinnentstellungen, kleine bewusste Veränderungen des eigentlichen Textsinnes der Bibel, die tiefe Gräben zwischen die Religionen gerissen haben.

Und noch ein weiteres Missverständnis der kirchlichen Kunst geht von diesem Text aus. Immer wieder fragen Menschen: „Warum ist denn Mose mit zwei Hörnern dargestellt?“ Er hält dabei oft die Gesetzestafeln in der Hand. Das hebräische Wort qrn (qäran) kann „Strahlen“ und „Horn“ zugleich bedeuten. Aus dem Zusammenhang des Textes wird man es wohl mit Strahlen übersetzen müssen, denn es geht um die Herrlichkeit Gottes, die hier an einem Menschen sichtbar wird und zum Leuchten kommt. Die christlich-kirchliche Kunst hat dies freilich nicht daran gehindert, die alte Übersetzung mit den Hörner, die dem Mose wuchsen, immer wieder zu kopieren. Zuweilen hat man diese Hörner selbst als Strahlen dargestellt.

Dieses zweite Missverständnis lenkt unseren Blick aber nun doch wieder zum Kern der Botschaft. Gottes Herrlichkeit leuchtet. Sie kann einen Menschen erleuchten, frei machen von seinen Erfahrungen mit Gott zu erzählen. Gottes Herrlichkeit stärkt und lässt neu anfangen. Nicht nur den Führern des Volkes wie dem Mose ist dies geschenkt. Nein, es heißt ja auch: Die Klarheit des Herrn leuchtete um sie, die Hirten auf dem Felde, und sie fürchteten sich sehr.“

Sie hatten des nachts ihre Arbeit zu tun. Sie mussten um ihr alltägliches Auskommen bangen. Sie mussten ihre Herde vor Gefahren schützen. Ihnen wurde vorgeworfen, sie seien Betrüger. Sie wurden aus der Stadt verjagt als sie Wolle und Käse verkaufen wollten: „Von Euch kaufen wir nichts!“ Ein anderer sagt: „Ihr macht euch saftigen Braten von Tieren, auf die ihr nur aufpassen sollt!“ Ein anderer Hirte trägt eine Narbe, die jeder sieht. Aber darüber mit den anderen geredet hat er noch nicht.

Diesen einfachen Menschen leuchtet die Klarheit des Herrn zuerst. In ihre Nacht hinein fiel ein immer heller werdender Schein. Es war nicht die Sonne, nicht der Mond. Es war jenes Glänzen und Strahlen, das von Gott herkommt. Der Blick geht zum Himmel. Das Licht hüllt die Hirten immer mehr ein. Sie spüren, wie ihnen die Finsternis weicht und das Licht seinen Glanz in ihren Herzen verbreitet.

Sie fragen sich: Was bedeutet dieses Licht? Was geht hier vor? – Aus dem Licht heraus hören sie in ihrem Inneren eine Stimme. Jeder einzelne hört die Worte. Sie verwundern sich:

Fürchtet Euch nicht! Euch ist heute der Heiland geboren.

„Das kann nur ein Licht von Gott sein. So kann nur ein Licht von Gott sein.“ – Sie schauen noch und lauschen. Es wird alles noch heller. Sie spüren eine große Freude in ihrem Inneren. Dann – wie auf einen Knopfdruck – ist das Licht verschwunden.

Sie fragen sich sogleich: „Haben wir uns das alles nur eingebildet? War das am Ende nur ein Traum?“ – Der Zweifel kroch bereits wieder in ihnen hoch. Trotzdem trauten sie ihrer Erfahrung und gingen los und fanden das Licht der Welt, Jesus, den Christus, dessen Glanz und Strahlen sie berührte und sich auf ihrem Angesicht spiegelte.

Den besonderen Momenten wohnt etwas inne, was wir oft nicht festhalten können. Oft können wir es auch nicht genau beschreiben. Und doch strahlt von ihnen etwas in unser Leben, in unseren Alltag aus.

So ist es auch mit unseren Erfahrungen mit Gott und Jesus Christus. Doch wenn wir sie miteinander teilen, wenn wir sie miteinander bedenken, dann steckt noch viel mehr in ihnen. Mose teilte seine Erfahrungen am Gottesberg mit den Menschen seines Volkes. Sie ließen sich von seiner Erfahrung anstecken, auch selbst ihre Erfahrungen mit Gott zu vertiefen. Die Hirten ließen sich von dem Kind, von Maria und Josef anstecken und erkannten, dass auch ihr Leben voller Finsternisse von Gottes Licht umhüllt ist.

So bekommt Gottes froh machende und stärkende Botschaft ein Gesicht. Sie darf auch von unser aller Angesicht ausstrahlen in diese Welt. Sie strahlt über den besonderen Moment der weihnachtlichen Zeit hinaus und lebt in unseren Herzen fort.

Amen.  

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.