
„Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ – Sprichwörter fassen Erfahrungen. Einem solchen Sprichwort wird heute kräftig widersprochen. Über jedermanns und jederfraus eigene Verantwortung vor Gott geht es in der Predigt zur Einführung der neuen Konfirmandinnen und Konfirmanden am 3. Sonntag nach Trinitatis.
Predigt
Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
liebe Konfirmandinnen, liebe Konfirmanden,
um ein Sprichwort wie dieses geht es im heutigen Predigttext: „Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.“ Meistens ist dann irgendetwas Schlimmes passiert. Die Kinder, so legt es nahe, sind auch nicht anders als ihre Eltern. Sie können ja gar nicht anders sein. Da war der Vater früher scho so a Schlawiner. Da ist´s kein Wunder, dass sie Kinder auch solche Schlawinerla werden.
Dieses Sprichwort bindet Eltern und Kinder aneinander. Es packt sie gewissermaßen in eine Schicksalsgemeinschaft, aus der sie gar nicht ausbrechen können. Sprichwörter bringen ja oft, das, was Menschen erfahren haben, in einen einfachen Satz. Solche Sprichwörter gab es schon immer. In der Bibel gibt es ein ganzes Buch voller alter Sprichwörter, die schon vor mehr als 2000 Jahren im Umlauf waren. Aber wie das so ist mit den alten Sachen. Manches verstehen wir heute nicht mehr einfach so. Außerdem sprachen die Menschen damals andere Sprachen. Da muss man dann einfach manches dazu erklären. Dazu ist die Predigt da. Da versucht der Pfarrer zu erklären, was das, was in der Bibel steht, für uns heute bedeuten könnte.
Das heutige Sprichwort ist nicht aus dem Buch der Sprichwörter. Es steht beim Propheten Hesekiel, manche nennen ihn Ezechiel, im 18. Kapitel. Dieser seltsam schillernde Prophet war sowas wie ein Friedens- und Klimaaktivist. Wenn er heute gelebt hätte, wäre er wahrscheinlich wie unsere Schüler auf die Demo gegangen, hätte uns an unsere Verantwortung für die Zukunft und die der Kinder erinnert. Dazu war er fromm und vertraute auf Gottes Kraft für Veränderung in der Welt.
„Die Väter haben saure Trauben gegessen, aber den Kindern sind die Zähne stumpf geworden.“ lautet das alte Sprichwort. Es ist auch so ein Sprichwort, dass das Schicksal von Eltern und Kindern, von einer Generation und der nächsten aneinander kettet. Was die Alten falsch gemacht haben, bleibt auch an den Jungen kleben. Die Kinder müssen die Fehler der letzten Generationen ausbaden. Wie oft haben wir, habt Ihr, schon davon gehört.
Verschwenden wir alle Ressourcen und lassen den Kindern eine ausgebeutete Erde zurück? Haben wir viel zu lange einem Diktator vertraut, der uns jetzt mit Krieg überziehen will und eine Drohung nach der anderen schickt? Haben wir selbst genug getan, um unseren Beitrag für die Zukunft zu leisten oder mehr auf Kosten anderer gelebt, die in dieser einen Welt nicht genug zum Leben haben?
Solche Fragen werden ja auch bei uns so gestellt, dass sie etwas zu tun haben mit der einen und der nächsten Generation. Die Älteren kommen da nicht gut weg. Sie sind schließlich schuld daran, dass es so ist, wie es ist. Aber auch die Jüngeren haben keine Chance da rauszukommen, wenn es heißt, ihnen seien die Zähne stumpf geworden.
Der Prophet Hesekiel nimmt dieses Sprichwort her, um ihm ein Wort Gottes entgegenzusetzen. „Wort Gottes“ – heißt es oft in der Bibel. Hier ist gemeint. Was würde Gott dazu sagen? Was ist Gottes Wille zu diesem Wort?
Der Prophet richtet es aus: „So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: Dies Sprichwort soll nicht mehr unter euch umgehen in Israel. Denn siehe, alle Menschen gehören mir; die Väter gehören mir so gut, wie die Söhne.“ (Hes 18,3+4)
Gott verbietet den Gebrauch des Sprichwortes. Er will es nicht mehr hören. Warum? Das wird aus dem klarer, was dem Verbot folgt. Väter und Söhne, Eltern und Kinder sind alle miteinander von mir geschaffen worden. Sie sind mein. Ich bin ihr Gott. Ich habe sie geschaffen, dass sie die Erde gestalten, dass sie Frieden miteinander halten können. Freilich, es liegt an ihnen. Aber es liegt an einer jeden Generation neu. Die Eltern, wie die Kinder stehen mir gleich nahe. Keiner der Jungen kann sich ganz herausreden und sagen: Das haben die Alten uns alles eingebrockt, wir können ja nichts dafür. Wir können ganz und gar nichts tun. Genauso können die Älteren nicht sagen: Jetzt seid ihr dran. Es ist eure Aufgabe, das zu tun, was wir nicht geschafft haben. Gott will, dass die Jüngeren und die Älteren miteinander zusammen diese Welt gestalten, auch wenn es natürlich für jede Generation neue Aufgaben gibt, die besonders unter den Nägeln brennen.
Denn jeder muss die Folgen seines Tuns, muss die Fehler, die er getan hat, erst einmal selber tragen in der Verantwortung vor Gott. Gott spricht uns selbst darauf an. Er will nicht, dass wir die Verantwortung von einem zum nächsten schieben, so nach dem Motto: Der war´s, ich nicht! Er lässt uns aber mit unseren Fehlern nicht alleine im Regen stehen. Er will, dass wir zu unseren eigenen Aufgaben und Taten stehen.
Wenn sich aber der Gottlose bekehrt von allen seinen Sünden, die er getan hat, und hält alle meine Gesetze und übt Recht und Gerechtigkeit, so soll er am Leben bleiben (…). Es soll an alle seine Übertretungen, die er getan hat, nicht gedacht werden, sondern er soll am Leben bleiben um der Gerechtigkeit willen, die er getan hat. (Hes 18,21+22)
Gott rechnet uns unsere Fehler nicht zu, wenn wir zu ihm umkehren. So wie der verlorene Sohn sich eines besseren besann und den Weg zurück fand. Das ist leichter gesagt, als getan. Oft können wir das nicht ganz aus eigener Kraft. Darum tut es gut, zu wissen, dass Gott uns unsere Fehler nicht anrechnen will, wie auf einer Strichliste. Er gibt uns mit seinem Geist, die Kraft dazu, auf eigenen Füßen zu stehen und die Verantwortung für das Leben wahrzunehmen.
Jugendliche stehen noch etwas im Schatten ihrer Eltern, aber sie stehen auch schon auf eigenen Füßen. Ihr entdeckt, dass man für Manches, was Euch wichtig ist, etwas tun muss und mitarbeiten muss. Ihr wollt das auch, weil ihr selbst die Welt mitgestalten wollt. Dass da mal was nicht so läuft, wie man es sich gedacht hat, gehört mit dazu. Ihr werdet so Euren eigenen Weg finden. Auch Euren Weg im Glauben.
Liebe Konfirmandinnen und Konfirmanden,
vor uns liegt ein Jahr miteinander in der Gruppe, mit den Pfarrern, mit den Jugendleitern, die sich mit einmischen werden, mit der Gemeinde, die ihr im Gottesdienst erlebt. Manches wird etwas spannender sein, anderes etwas langweiliger. Wir werden Euch ermutigen, Eure eigenen Fragen zu stellen, einmal ohne Eltern, Eure Antworten zu finden auf Fragen des Glaubens, der Religion, zu Jesus und zu Gott. Gott traut Euch zu, dass Ihr selbständig zu Euren Antworten findet. Es werden nicht immer die sein, die wir haben oder die, die die Eltern schon hatten. Aber Eure Eltern werden Euch auch begleiten und wir von der Kirche werden in diesem Jahr mit dabei sein. So werden wir als unterschiedliche Generationen vor Gott unserer Verantwortung gerecht und helfen Euch, selbst Euer Ja zu finden, zu dem Gott, der Euch das Leben geschenkt hat.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.