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Gottesdienst am 27. Juni

Predigt zum Gottesdienst am 4. Sonntag nach Trinitatis von Prädikantin Michaela Wilfert.

 

 

 

Predigt

Gnade sei mit euch
und Friede von Gott, unserem Vater
und dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde!

Wenn man im Gebirge unterwegs ist und man sich ganz allein zwischen kahlen Felswänden befindet, kann es einen schon überkommen, einmal ganz ungeniert aus vollem Herzen zu schreien und dann gespannt zu lauschen, was da von den Felswänden als Echo zurückhallt…

Doch das Phänomen Echo gibt es nicht nur in den Bergen. Nein, wir erleben es fast täglich. Einer wird laut, ich erhöhe ebenfalls die Lautstärke. Einer schikaniert mich, ich reagiere prompt mit einer Retourkutsche. Sollten wir etwa alles schlucken, was andere uns zumuten?

Wir sind schon ein bisschen auf Echo geeicht – daran kann man nicht rütteln… Oder vielleicht doch? Sind wir der postwendenden Reaktion als Spiegel auf ein Wort oder eine Tat unseres Gegenübers wirklich einfach willenlos ‚ausgeliefert‘? Können wir gar nicht anders als: ‚Wie du mir, so ich dir!‘?

Dadurch entsteht eine unheilvolle Serie. Ein Wort ergibt das andere. Der Schlagabtausch wird immer krasser und härter. Am Ende bleiben Hassende, Spottende, hochmütig Richtende zurück und es dreht sich nur noch um Rache und Vergeltung. Auf dieser Basis kann gutes Leben nicht gelingen und gedeihen. Gott hat einen anderen Plan für uns Menschen. Und so hören wir heute das Ende der Josefsgeschichte aus dem Alten Testament.

Josef ist der mit dem bunten Mantel. Das verhätschelte Söhnchen. Der Lieblingssohn seines Vaters Jakob, der mit seiner arroganten Art seine Brüder so gegen sich aufbrachte, dass sie ihn töten wollten. Es kam aber anders und so fand sich Josef in Ägypten auf einem Sklavenmarkt wieder. Er diente am Hof seines Herrn, bis ihn dessen Frau zu Unrecht einer übergriffigen Tat beschuldigte. Im Gefängnis musste er daraufhin sein Dasein fristen. Doch er hatte eine besondere Begabung: die Traumdeutung. Und so kam er in den Dienst des Pharaos und bewahrte durch seine Gabe und vorausschauendes Handeln durch Vorratshaltung die Ägypter und umliegende Völker vor dem Hungertod. Während dieser Hungersnot begegnete er auch wieder seinen Brüdern und holte sie zusammen mit seinem Vater nach Ägypten. Unter seinem Schutz lebten sie dort in Frieden – zumindest bis zu dem Zeitpunkt, als Jakob starb.

Hört nun unseren Predigttextabschnitt, der das letzte Kapitel dieser dramatischen Familiengeschichte darstellt. Ich lese aus dem ersten Buch Mose im 50. Kapitel die Verse 15 bis 21 nach der Übertragung der ‚BasisBibel‘:

15 Als Josefs Brüder begriffen, dass ihr Vater tot war, bekamen sie Angst. Sie dachten: ‚Hoffentlich ist Josef uns gegenüber nicht nachtragend. Sonst wird er uns all das Böse heimzahlen, das wir ihm angetan haben.‘ 16 Darum ließen sie ihm mitteilen: ‚Dein Vater hat uns vor seinem Tod aufgetragen, 17 dir zu sagen: ‚Vergib deinen Brüdern das Unrecht und ihre Schuld! Ja, sie haben dir Böses angetan. Nun vergib ihnen dieses Unrecht. Sie dienen doch dem Gott deines Vaters!‘ Als Josef das hörte, fing er an zu weinen. 18 Da gingen seine Brüder zu ihm hin, warfen sich vor ihm nieder und sagten: ‚Wir sind deine Knechte.‘ 19 Aber Josef sagte zu ihnen: ‚Fürchtet euch nicht! Bin ich etwa Gott? 20 Ihr hattet Böses für mich geplant. Aber Gott hat es zum Guten gewendet. Er wollte tun, was heute Wirklichkeit wird: ein großes Volk am Leben erhalten. 21 Deshalb fürchtet euch nicht! Ich werde für euch und für eure Kinder sorgen.‘ Er tröstete sie und redete freundlich mit ihnen.

Soweit der Predigttext. Lasst uns in der Stille um den Segen des Wortes Gottes beten!     

[Stille]

Herr, öffne unsere Herzen und Ohren für dich und dein Wort und tu meine Lippen auf, dass mein Mund deinen Ruhm verkündige! Amen.

 

Liebe Gemeinde,

15 […] ‚Hoffentlich ist Josef uns gegenüber nicht nachtragend. Sonst wird er uns all das Böse heimzahlen, das wir ihm angetan haben.‘

Ein Blick in unser menschliches Herz genügt, um festzustellen, wie tief darin das Verlangen nach Rache und Vergeltung verwurzelt ist. Wir sind darauf eingestellt, unser ‚gutes Recht‘ zu verteidigen. Oder wie wir Gerechtigkeit wiederherstellen und den Gegenspieler gleichzeitig abstrafen können. In solchen Fällen haben wir auch ein fast unbegrenzt in die Vergangenheit zurückreichendes Erinnerungs-vermögen. Und: das was für uns gelten mag, das trauen wir auch anderen zu…

Die Brüder Josef’s jedenfalls haben eine gehörige Portion ‚Schiss‘. Man weiß ja nicht, was sich der Bruder so an Racheplänen einfallen lässt, jetzt, nach dem Tod des Vaters. Schließlich hatten sie ihm schon übel mitgespielt…

Umso erstaunlicher ist für mich Josef’s Rede in Vers 19. Denn jetzt hätte Josef die Chance, seinen Brüdern einmal so richtig den Marsch zu blasen. Ihnen mal alles vor den Latz zu knallen, wie sein Leben verlaufen ist. Aber er reagiert ganz anders. Er nimmt ihnen die Angst, dass er sich rächen könnte und beruhigt sie: […] ‚Fürchtet euch nicht! Bin ich etwa Gott?

Josef hat erkannt, dass nicht nur sein Leben in Gottes Hand liegt. Vor Gott müssen wir uns alle fragen lassen, was wir in und mit unserem Leben getan haben. Und Gott allein steht es zu, unser Leben zu beurteilen. Das hat Josef erkannt. Seine Brüder lebten ebenso wie er unter Gottes Sonne und auch über ihnen ließ Gott es regnen. So wie ihm Gottes Güte zuteilwurde, so standen auch seine Brüder unter Gottes Segen. Wenn es also etwas zu verurteilen gab, dann hatte allein Gott das Recht dazu.

Wie geht es uns damit? Schwingen wir uns manchmal zum Richter auf? Wären wir als Richter barmherzig oder hartherzig? Und: greifen wir damit Gott nicht vor? Wer von uns hätte schon das gesamte Bild?

20 Ihr hattet Böses für mich geplant. Aber Gott hat es zum Guten gewendet. Er wollte tun, was heute Wirklichkeit wird: ein großes Volk am Leben erhalten.

Josef hat im Rückblick etwas aus seinem Leben machen können. Er hat sich nicht Rachegelüsten hingegeben oder Vergeltungspläne geschmiedet, die er nun aus seiner Schublade holt. Er hat sich nicht zum Richter über seine Brüder gesetzt. Josef hat vielmehr all das, was ihm widerfahren ist, Gott vor die Füße geworfen. Er vertraute Gott in all seiner Wut, seinem Schmerz und seiner Ohnmacht. Sein Leben hat er Gott hingeworfen.

Die Tatsachen des Lebens, die Ungerechtigkeiten, die ihm widerfahren sind, kann kein Mensch wegradieren. Sie hinterlassen Spuren. In jedem Leben, das so gebeutelt wird. Aber sie können mit Gottes Hilfe verheilen.

Josef legte sein Leben in die Hand des lebendigen Gottes. Und die Regie über seinem Leben führen damit nun nicht mehr die Menschen, die über ihn entscheiden und über sein Leben verfügen. Nein! Die Regie über seinem Leben führt alleine Gott.

Und Gott allein kann aus dem Bösen, das Josef widerfährt, etwas Gutes machen. Nicht nur für ihn, für Josef. Gottes guter Plan weitet sich aus. Auf das Haus, in dem Josef dient, auf das Land und Volk der Ägypter. Sogar auf die Volksstämme rund um Ägypten und darum auch auf Josefs Sippe.

 

Liebe Gemeinde,

manch einer reibt sich vielleicht die Augen und Ohren… Echt jetzt? Soll ich mir mein Leben schönreden? Wird es wirklich besser, wenn ich mir einrede, dass Gott schon einen Plan hat? Ist es mir dann egal, was im Leben passiert?

Nun, so habe ich das nicht gemeint! Festzuhalten ist: Böses, das mir zugefügt wird, bleibt böse und Unrecht bleibt Unrecht. Das soll auch nicht geschmälert werden. Aber: es macht in meinem weiteren Leben einen Unterschied, ob ich glaube, dass Gott das erfahrene Schlimme zum Guten für mich wenden kann. Oder ob ich mich einem bösen Schicksal, einer Willkür, einer Sinnlosigkeit ohnmächtig ausgeliefert sehe.

Josef kann uns da ein Beispiel sein. Denn er ist nicht in bodenlose Tiefen gefallen, die ihn nie wieder auf die Beine haben kommen lassen. Er hat sich wiedergefunden in Gottes starker Hand. In Gottes unendliches Erbarmen ist er gefallen. Und er wurde aufgerichtet durch dieses Erbarmen.

Er wurde gestärkt und seine Beziehung zu seiner Familie wurde zum Guten gewendet. Gottes Güte und sein fester Wille, Gutes für Josef entstehen zu lassen, bestimmten sein Denken, Glauben und Handeln. Und dadurch konnten sich anstelle von Bitterkeit, Rache-gedanken und Vergeltungssucht in Josef’s Herzen Liebe und Barmherzigkeit breitmachen.

 

Liebe Gemeinde,

Gott überwindet das Böse mit Gutem. Das heißt nicht, dass fortan nichts Böses mehr passiert. Manches lässt uns ratlos und wortlos zurück. Dinge, die wir nicht verstehen oder erklären können. Untröstlich und klagend blicken wir auf schlimme Ereignisse. Aber gleichzeitig dürfen wir Gott vertrauen, dass er in seiner Weisheit das Schrecklichste zum Guten werden lassen kann.

Dass aus etwas Schlimmen etwas Gutes geworden ist, können wir freilich erst im Rückblick erkennen. Zu einem Zeitpunkt, an dem eine Krise überwunden ist. Und es kann auch nur ausschließlich derjenige selbst sagen, dem es widerfahren ist.

Dieses Wort, dass Gott aus Bösem etwas Gutes schaffen wird, wird einem in der Krise nicht über die Lippen gehen. Und das ist auch völlig in Ordnung.

Für manch einen sitzt Gott im Moment vielleicht auf der Anklagebank. Auch das ist in Ordnung. Und die Bibel ist uns da eine gute Vorlage, denn es gibt in ihr unzählige Psalmen, die Klage vor Gott bringen. Gott hält das aus. Er ist uns nicht gram, wenn wir ihm unser Leid, unsere Wut, unser Unverständnis klagen.

Aus unserem Schmerz dürfen wir uns Gott zuwenden und ihm das Unsägliche klagen. Aber gleichzeitig dürfen wir glaubend auf Gottes Zusage vertrauen, dass wir es einst aus tiefem Herzen – und wenn es erst in Gottes Ewigkeit ist – sagen können: Gott hat das Böse zum Guten gewendet. Wie Gott uns dahin führt, ist sein heilsames Geheimnis. Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist,
als alle menschliche Vernunft
bewahre unsere Herzen und Sinne
in Christus Jesus. Amen.