
Am Sonntag nach Ostern hören Sie hier eine Predigt von unserer Lektorin Ingrid Schwarz.
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Predigt
Liebe Gemeinde!
„Ich fühle mich wie neu geboren“ – wir kennen diese Redensart. Sei es nach einer erfrischenden Dusche oder nach einem erholsamen Urlaub.
Es bedeutet so viel wie: „Ich bin sehr gut erholt! Bin komplett entspannt und habe richtig Lust auf Leben! Meine ganzen alten Lasten sind abgefallen. Ich fühle mich frisch und frei. Das Leben kann nochmal neu beginnen. Frohen Mutes schau ich nach vorne!“
Ein derartiges Neugeborenwerden verbindet das Neue Testament mit der Taufe. Wenn ein Mensch getauft wird, dann geschieht wirklich etwas derart Großartiges – wie eine neue Geburt. Wir hören unser heutiges Predigtwort, das genau das versucht zu beschreiben. Ich lese aus der Hoffnung für Alle aus dem Kolosserbrief aus dem Kapitel 2, die Verse 12 – 15:
Durch die Taufe ist euer altes Leben beendet; ihr wurdet mit Christus gleichsam begraben; aber durch den Glauben seid ihr auch mit ihm zu einem neuen Leben auferweckt worden. Diesen Glauben hat Gott in euch bewirkt, und er war es auch, der Christus von den Toten auferstehen ließ.
Durch euren Egoismus und eure Sünden wart ihr für Gott tot, aber er hat euch mit Christus lebendig gemacht und alle Schuld vergeben.
Gott hat den Schuldschein, der uns mit seinen Forderungen so schwer belastete, eingelöst und auf ewig vernichtet, indem er ihn ans Kreuz nagelte.
Auf diese Weise wurden die finsteren dämonischen Mächte entmachtet und in ihrer Ohnmacht bloßgestellt, als Christus über sie am Kreuz triumphierte.
Der Verfasser des Kolosserbriefes betont und erklärt hier unsere christliche Taufe. Anlass dafür war ein Problem, mit dem sich die Christen in Kolossä auseinandersetzen mussten. Dort sind Prediger oder Propheten aufgetreten, die sagten: Also, euer einfacher Glaube an den gekreuzigten Jesus Christus und euer schlichtes Vertrauen auf eure Taufe – das ist schon in Ordnung. Aber das reicht noch nicht aus, um in den Himmel zu kommen. Ihr müsst euch auch noch um die „kosmischen Mächte“ kümmern und sie verehren!
Was und wer damals mit diesen „kosmischen Mächten“ gemeint war, lässt sich nicht mehr genau sagen. Aber sicher ist, dass wegen dieser Irrlehre und der daraus entstandenen Verunsicherungen in der Gemeinde der Kolosserbrief geschrieben wurde. Der Verfasser versucht den Gläubigen klarzumachen: „Glaubt denen nicht, die behaupten, ihr bräuchtet noch zusätzlich zum Evangelium eine höhere Philosophie. Hört nicht auf die, die euch einreden, ihr müsstet zusätzlich noch irgendwelche Mächte verehren! Bleibt allein bei dem, was Jesus Christus für euch ist und tut. Er allein zählt. Wer an ihn glaubt und die Taufe empfangen hat, darf sich wie neu geboren wissen. Mehr braucht es nicht!“
Was aber ist nun die Taufe?
Wieso reicht sie aus?
Was geschieht da für uns?
Lassen Sie es uns so sagen: Die Taufe bringt jeden einzelnen Menschen mit der großen Christustat zusammen!
Das, was mit Jesus von Nazareth von Karfreitag bis Ostern geschehen ist, das alles ist ja für jede und jeden von uns geschehen. Und in unserer Taufe werden wir in dieses große Christusgeschehen hineingenommen, sozusagen mit hineingezogen. Jesu Tod und Auferstehung – das ist nicht nur die Geschichte von Jesus, die vor vielen Jahren geschehen ist. Es ist heute, genau jetzt auch meine eigene persönliche Geschichte.
Die Taufe ist viel mehr als ein schönes Familienfest, an dem man die Geburt eines neuen Menschen feiert und bei dem man den kirchlichen Segen bekommt. In der Taufe geht es um Tod und Leben, um ein Begraben–Werden und Wieder-Auferweckt–Werden mit Jesus Christus. Es geht um das neue Leben, das jetzt unmittelbar mit dem ewigen Gott verwoben ist. Eine Neugeburt, in der Tat.
Um das besser verstehen zu können, muss man sich mal bildlich vorstellen, wie eine Taufe im Urchristentum ablief. Im Urchristentum war eine Kindertaufe nicht die Normalform – damals wurden in der Regel Erwachsene getauft. Und der antike Ritus macht deutlich, was der Kolosserbrief in Worte fasst. Einige Tage vor der Taufe begann der Täufling zu fasten. In der Nacht vor der Taufe hat er nicht geschlafen, sondern gewacht. Unmittelbar vor der Taufe wurden ihm seine Kleider genommen – er war nackt, bis er nach der Taufe das weiße Kleid bekam.
Keine Nahrung, kein Schlaf, keine Kleidung. Und bei der Taufe wurde er mit dem ganzen Körper unter Wasser getaucht, konnte nicht mehr atmen, bekam keine Luft mehr. Nach dem Verlassen des Wassers wurde er wieder gekleidet, er bekam das Heilige Abendmahl. Er bekam zu essen und zu trinken und wurde in die Gemeinschaft aufgenommen. Kleidung, Nahrung und Menschen, die sich um einen sorgen. Der Täufling fühlte sich buchstäblich wie neugeboren.
Eindrucksvoller lässt sich das, was in der Taufe geschieht, kaum darstellen. Und zum Neugeborensein gehört der Neuanfang – alles Alte ist abgefallen, alle Schuld ist uns vergeben. Die Taufe als Fest der Auferstehung! Eine befreiende Botschaft wird hier verkündet.
Wieso braucht es denn überhaupt ein neues Leben?
Unser Predigtwort versucht es zu erklären:
„Ihr wart tot in euren Sünden, aber Christus hat den Schuldbrief, der über eurem Leben hängt, getilgt.“ Ziemlich drastisch ist hier von einem Schuldbrief die Rede. Unser Verhältnis zu Gott ist von Natur aus nicht in Ordnung. Wir bleiben ihm und unseren Mitmenschen immer wieder etwas schuldig.
Die Urgeschichte der Bibel beschreibt das eindrucksvoll: Â Adam und Eva misstrauen Gott und stellen sich gegen sein Gebot. Kain ist so zerfressen von Neid, dass er seinen Bruder Abel deswegen umbringt. Die Menschen werden Turmbauer in Babylon. Sie wollen ohne Gott auskommen, ihr Leben selber sichern, ihre Macht demonstrieren.
So sind wir Menschen von Grund auf gestrickt. Gott gab uns Gebote, um dem Einhalt zu gebieten. Aber der Mensch hört nicht auf mit seinem Egoismus, seiner Gleichgültigkeit, seiner Gier nach Macht und Geld.Und er nimmt Gott nicht ernst. Wir merken es auch heute, wie sehr Menschen in belasteten Beziehungen leben zu Gott, zu andern Menschen, zu sich selber und auch zur gesamten Umwelt. Ja, es gibt ihn, den Schuldbrief unseres Lebens!
Aber – jetzt kommt das große „Aber“: Es bleibt nicht bei diesem tödlichen „Schuldschein“. „Ihr ward tot“ – jetzt ist eine andere Realität gesetzt. Mit Christi Tod am Kreuz wurde der „Schuldschein“ getilgt. Er wurde von mir und Ihnen weggenommen und gleichsam umgeheftet an das Kreuz Jesu. Unsere Schuld ist bezahlt durch Jesus. Was immer wir Gott oder andern Menschen oder uns selber schuldig bleiben, es trennt uns nicht mehr länger von Gott und vom Leben. Durch Jesu Leiden und Sterben am Kreuz, durch sein vergossenes Blut, sind wir nicht mehr länger schuldig, wir sind befreit zu einem neuen Leben. Unser Schuldbrief ist weg. Uns ist vergeben. Wir sind versöhnt und frei.
Durch die Taufe werden wir in dieses göttliche Versöhnungshandeln hineingezogen. Das ist doch entscheidend, dass diese göttliche Rettung bei uns auch wirklich ankommt, sich mit unserem eigenen Leben verbindet. Das Durchstreichen unserer Schuld ist dabei aber nicht das einzige, was in der Taufe uns persönlich zugesagt wird. Damit man auch zurecht von einer Neugeburt sprechen kann, geht es zusätzlich zur Schuldfrage auch noch um die Machtfrage: Wer hat in unserm Leben das Sagen?
In der Zeit der ersten Christen bedeutete der Entschluss, sich taufen zu lassen, den Bruch mit dem alten Leben. Es bedeutete die Absage an alle anderen Götter. Christwerden war eine Lebenswende, ein Systemwechsel mit weitreichenden Folgen: Die alten Werte hinter sich lassen, ein neues Leben anfangen. Jetzt heißt der Herr: Jesus Christus! Er ist nun die maßgebende Instanz.
Im Kolosserbrief heißt es eindeutig: Wir müssen keine anderen Mächte mehr fürchten. Und wir haben auch keine anderen Mächte mehr zu verehren. Denn der Auferstandene steht über allem.
Die Menschen der Antike wähnten sich ja ganz ausgeliefert angesichts lauter Mächte und Gewalten. Man war umgeben von Göttern, Geistern, Dämonen, Engeln, himmlischen Kräften und Planeten. Dieses antike „Normalgefühl“ hat sich in der Stadt Kolossä anscheinend mit dem christlichen Glauben verbunden. Prediger traten auf und verkündeten:
„Christus allein reicht nicht! Ihr müsst euch auch mit den kosmischen Mächten beschäftigen, sie respektieren und verehren!“
Für den Verfasser des Kolosserbriefes war das eine Irrlehre, die es zu bekämpfen galt. Denn Jesus allein ist der Herr! Gilt das auch noch ganz aktuell für heute oder ist das „Schnee von gestern“?
Ich denke das Thema, dass damals die Kolosser beschäftigte ist auch noch bei uns ganz aktuell. Viele basteln sich einen Glauben an alle möglichen Mächte zusammen. Die Esoterik spielt eine große Rolle im täglichen Leben. Wahrsagern und Geistheilern wird mehr vertraut als dem Wort Gottes. Feng Shui und Yoga sind gängige Praktiken. Viele glauben an Wiedergeburt, aber in dem Sinn, dass man nach dem Tod als Kaninchen oder anderer Mensch wiedergeboren wird. Buddha-Worte sind leichter zu verstehen als die Bibel. Viel hilft viel und was soll es schon schaden. Irgendwas wird wohl schon für mich das richtige sein.
Eine solche Vermischung mit allen möglichen spirituellen „Mächten“ können wir heute vielfach beobachten, ganz zu schweigen von den vielen weltlichen „Mächten“, die uns in ihren Bann ziehen: das Geld, die Sorgen, unsere Ängste, unser Ego.
Doch grade in der Macht- und Herrschaftsfrage hat Gott für uns eine deutliche Botschaft: Durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten ist klar, wer alle Macht hat. Mit der Macht des Todes sind auch alle anderen „Mächte“ überwunden. Jesus ist jetzt der unumschränkte Herr, und wir gehören zu ihm. Wir brauchen nichts und niemanden anders mehr verehren oder fürchten. Wir sind getauft! Dort ist uns zugesagt:
„Du gehörst jetzt zum auferstandenen Christus, zum Sieger über alle Mächte, zum Herrn aller Herren. Und er ist jetzt auch dein Herr. Er will und kann dich gut durchs Leben leiten! Lass dich von ihm führen! Lass ihn an das Steuer deines Lebens! Erinnere dich immer wieder daran: Du bist getauft und gehörst zu Jesus. Er ist dein Herr, und nur das macht dich fest und stark!“
Liebe Gemeinde, lasst uns das festhalten, immer wieder diesen Zusagen der eigenen Taufe zu vertrauen. Es ist doch großartig: Auch unser ganz persönlicher Schuldbrief ist vor Gott ein für allemal getilgt. Keine Macht der Welt kann uns mehr zerstören. Wir gehören endgültig zu Gott, und Jesus ist Sieger und Herr. Mit ihm gelingt das Leben für immer. Was für eine Perspektive ist das! Was für eine Befreiung! Was für eine neue Lebenslust! Was für eine Freude! Was für ein Frieden, der da in unser Herz einziehen kann!
Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle menschliche Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.Â
Amen.