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Gottesdienst am 22. Mai

Da klopft jemand an der Türe… – Gottesdienst zum Sonntag Rogate (Bittet!) mit Lektorin Ingrid Schwarz.

 

Predigt

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde!

Es ist Mitten in der Nacht. Die Lichter im Haus sind alle gelöscht, Fenster und Türen für die Nacht verschlossen, sie und ihre Familie schlafen seit Stunden tief und fest.
Auf einmal werden sie von einem lauten Rufen und Klingeln geweckt. Mit Händen wird an die Haustür gehämmert.
„Hallo! Mach auf! Hallo! Aufmachen! Ich brauche deine Hilfe!“
Sie schrecken hoch und greifen nach dem Telefon.
Sie gehen mit pochendem Herzen Richtung Haustüre. Durch die verschlossene Tür rufen sie: „Was soll das? Was soll der Lärm? Das ist Ruhestörung! Ich rufe gleich die Polizei!“
Sie haben Angst. Haben wir doch alle gelernt, vorsichtig und misstrauisch zu sein.
Aber das laute Rufen nimmt kein Ende. Immer wieder: „Mach auf, hallo ich bin´s, ich brauche deine Hilfe“. In diesem Augenblick erkennen Sie an der Stimme einen guten Freund.
Immer noch unwirsch antworten sie: „Was willst du? Weißt du, wie spät es ist? Bist du verrückt geworden?“
Aber er ist ein wirklich guter Freund. Er muss in echter Not sein. Da muss etwas wirklich Schlimmes passiert sein. Und natürlich öffnen sie ihm die Tür.

Im Lukasevangelium erzählt Jesus seinen Jüngern von einem bittenden, unverschämt drängenden Freund.
Hören Sie die Geschichte, sie steht im 11. Kapitel die Verse 5 – 13:

Jesus sprach zu seinen Jüngern:
Wenn jemand unter euch einen Freund hat und ginge zu ihm um Mitternacht und spräche zu ihm: Lieber Freund, leih mir drei Brote;
denn mein Freund ist zu mir gekommen auf der Reise, und ich habe nichts, was ich ihm vorsetzen kann,
und der drinnen würde antworten und sprechen:
Mach mir keine Unruhe! Die Tür ist schon zugeschlossen, und meine Kinder und ich liegen schon zu Bett; ich kann nicht aufstehen und dir etwas geben.
Ich sage euch:
Und wenn er schon nicht aufsteht und ihm etwas gibt, weil er sein Freund ist, dann wird er doch wegen seines unverschämten Drängens aufstehen und ihm geben, soviel er bedarf.
Und ich sage euch auch: Bittet, so wird euch gegeben; suchet, so werdet ihr finden; klopfet an, so wird euch aufgetan.
Denn wer da bittet, der empfängt; und wer da sucht, der findet; und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn er ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete?
Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete?
Wenn nun ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gute Gaben geben könnt, wie viel mehr wird der Vater im Himmel den heiligen Geist geben denen, die ihn bitten!

Jesus erzählt seinen Jüngern diese Geschichte von dem bittenden, unverschämt drängenden Freund, weil seine Jünger von ihm wissen wollten wie sie beten sollen?
In seiner ganz eigenen Art beantwortet Jesus dieses Anliegen: zugewandt, anschaulich und sehr persönlich:
„Wenn du nicht weißt, wie du beten sollst, dann bete so wie ich. Übernimm meine Worte, das Vaterunser. Ich schenke dir dieses Gebet.
Wenn es dir schwerfällt, eigene Worte zu finden – das macht nichts.
Wenn du unsicher bist, wenn dir die Kraft zu eigenen Worten fehlt – dann nimm meine Bitten. Es sind ganz einfache Anliegen. So darfst du auch beten.
Beim Beten musst du nichts beweisen. Du musst niemanden beeindrucken, wenn du dich an Gott wendest. Wenn du etwas auf dem Herzen hast, dann sag es Gott. Trau dich einfach! Du kannst dich auf Gott verlassen!“
Und deshalb erzählt Jesus den Jüngern die Geschichte vom bittenden Freund. So dürfen wir bitten: so eindringlich, so rücksichtslos, so unverschämt.
Ein Freund bittet seinen Freund und erwartet, dass der seiner Bitte entspricht. Und das bedarf keiner vorsichtigen Anfrage.
Und wir verstehen, dass uns Gott nicht abweisen wird. Wir dürfen mit ihm reden wie mit einem guten Freund oder einer Freundin, wie mit Vater oder Mutter.
Wird unser Gebet erhört?
Bittet, so wird euch gegeben; Suchet, so werdet ihr finden;
Klopfet an, so wird euch aufgetan. Denn wer da bittet, der empfängt;
Und wer da sucht, der findet; Und wer da anklopft, dem wird aufgetan.
So hören wir im Predigtwort.
Eindringlich und Mut machend wirken diese knappen Sätze. Man kann sie sich vorsagen. Man kann sie sich immer wieder zusprechen und sich so selber Mut machen. Daran kann man sich festhalten:
Wer bittet, der empfängt. Wer sucht, der findet und wer anklopft, dem wird aufgemacht wie dem bittenden Freund an der Haustür.
Aber wie hilft Gott?
Diese Nachfrage liegt nahe.
Gott ist kein Zauberer, der jenseits aller Möglichkeiten wie ein Automat alle unsere Wünsche erfüllt und liefert, was immer wir bestellt haben.
Eine kleine Geschichte drückt das sehr humorvoll aus:
Ein gläubiger Mensch rettet sich während einer riesigen Überschwemmung auf das Dach seines Hauses. Die Fluten steigen und steigen. Eine Rettungsmannschaft kommt in einem Boot vorbei und bietet an, ihn mitzunehmen. „Nein, danke“, sagt er“, Gott wird mich retten.
Die Nacht bricht an und das Wasser steigt weiter. Der Mann klettert auf den Schornstein. Wieder kommt ein Boot vorbei und die Helfer rufen: „Steig ein!“ „Nein, danke“, erwidert der Mann nur. „Gott wird mich retten.“
Schließlich kommt ein Hubschrauber. Die Besatzung sieht ihn im Scheinwerferlicht auf dem Schornstein sitzen, das Wasser bis zum Kinn. „Nehmen Sie die Strickleiter“, ruft einer der Männer. „Nein, danke“, antwortet der Mann, „Gott wird mich retten“.
Das Wasser steigt weiter und der Mann ertrinkt.
Als er in dem Himmel kommt, beschwert er sich bei Gott: „Mein Leben lang habe ich treu an Dich geglaubt. Warum hast Du mich nicht gerettet?“ Gott sieht ihn erstaunt an: „Ich habe dir zwei Boote und einen Hubschrauber geschickt. Worauf hast du gewartet?“
Wunder können wir bei Gott nicht bestellen. Unseren gesunden Menschenverstand sollten wir aber in keiner Situation unseres Lebens abstellen. Und unsere Eigenverantwortlichkeit endet auch im Bittgebet nicht.

Worin besteht dann aber die Gebetserhörung?
Lukas spricht in unserem Predigtwort vom heiligen Geist, den Gott denjenigen gibt, die ihn bitten.
Wenn wir beten, dann wird sich etwas ändern. Wenn wir beten, dann stellen wir uns hinein in die Geschichte Gottes mit den Menschen, hinein in die Geschichte Gottes mit uns. Seine Verheißung gilt.
Das ist uns durch Jesus Christus zugesagt, auch wenn die Erfüllung der konkreten Bitte oft nicht geschieht.
Und das erleben Menschen oft. Sie nehmen keine Veränderung wahr, sie erfahren keine Rettung, den Geist Gottes spüren sie nicht.
Ist es nicht allzu leicht dahingesagt, dass sich etwas ändert, wenn man betet? Ist es wirklich mehr als nur ein billiger Trost?
Manche Menschen haben in den schwersten Stunden des Lebens, im zermürbenden Warten zwischen Verzweiflung und Hoffnung auch sehr bittere Erfahrungen mit dem Beten gemacht. Angesichts einer Angst machenden Diagnose, beim Bangen nach einem schrecklichen Unfall flehen sie zu Gott.
Und dann geschieht nichts. Gott schweigt. Er tut nichts. Er lässt das Schlimme geschehen. Er schenkt keine Heilung.
Manche Menschen empfinden ihr Beten als völlig vergeblich. Es ist, als ob sie mit ihrem Flehen an eine Wand prallen und auf sich selbst zurückgeworfen werden. Und das bringt Menschen bis an den Rand ihres Glaubens:
Was habe ich getan? Will er mich strafen? Ist es meine Schuld? Oder will mich Gott erziehen und durch Leiden und Verlust zu einem besseren Menschen machen? Oder bin ich einfach nur zu klein und gering, um zu verstehen, was er mit mir und der Welt vorhat? Warum? Ich verstehe es nicht. Und da soll ich weiterhin auf den treuen und väterlichen Gott hoffen und auf ihn vertrauen?
Menschen, die solche bitteren Erfahrungen in ihrem Leben gemacht haben, erzählen manchmal im Rückblick, oft viele Jahre später, dass sich alles gut gefügt hat, dass sie gereift sind, sich verändert haben und viel intensiver und wahrhaftiger leben als früher.
Manchmal erkennt man viele Jahre später erst, dass es gut war, dass Gott eine Bitte nicht erfüllt hat. Oft erkennt man erst nach einiger Zeit, dass Gott einen durch schwierige Zeiten hat durchhalten lassen, dass er uns durchgetragen hat und Kraft gegeben hat durchzustehen.
Das ist bewegend und beeindruckend.
Aber für Menschen in aktueller Not ist das oft kein Trost und wird wie ein Schlag, auf keinen Fall aber als Ratschlag oder Patentrezept verstanden.
Bleibt also die Frage:
Wie hilft Gott? Wie wird mein Gebet erhört? Kann ich auf Gott wirklich hoffen und ihm immer vertrauen?
Genau dazu will Jesus seine Jünger und auch uns bewegen. Genau deshalb erzählt er uns das Gleichnis vom bittenden Freund. Er wirbt um unser Vertrauen.
Ihm ist es ganz wichtig, dass wir nicht aufhören, zu bitten, zu hoffen und zu vertrauen:
Wo ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn, wenn er ihn um einen Fisch bittet, eine Schlange für den Fisch biete? Oder der ihm, wenn er um ein Ei bittet, einen Skorpion dafür biete?
Kein Vater, keine Mutter, kein echter Freund wird das tun. Umso mehr dürfen wir Jesus nachfolgen und Gott vertrauen.
Gott erfüllt nicht jeden unserer Wünsche, er erhört nicht jede Bitte. So weh das auch manchmal tun mag. Aber er sieht unser Leiden und unser Verzweifeln und er öffnet uns immer die Tür.
Darauf können wir uns verlassen und mit den Worten Dietrich Bonhoeffers beten:
Von guten Mächten wunderbar geborgen, erwarten wir getrost, was kommen mag. Gott ist bei uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Und der Friede Gottes, der höher ist, als alle menschliche Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus.

Amen.