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Gottesdienst am 20. März

„Was machst du da?“ – manchmal muss man diese Frage an sich selbst stellen. Gottesdienst zum Sonntag Oculi mit einer Predigt von Pfarrer Michael Grell.

 

 

Predigt

Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserem Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

„was machst Du da?“ – Diese Frage klingt zunächst harmlos wie eine Frage zum Gesprächseinstieg. Doch manchmal stellt man sie sich auch selbst: „Was machst du da?“ Dann ist es wie eine innere Stimme, die wie ein Stoppschild eine Bewegung zum Stillstand bringt: Eine Auszeit nehmen, einmal kurze Innehalten und Nachdenken, vielleicht zur Vernunft kommen und dann mit neuen Einsichten weitergehen.

„Was machst Du hier?“ – Diese innere Stimme hört Elia als er allein für sich ist. Hört die Worte aus dem 1. Buch der Könige im 19. Kapitel:

Ahab sagte Isebel alles, was Elia getan hatte
und wie er alle Propheten Baals
mit dem Schwert umgebracht hatte.
Da sandte Isebel einen Boten zu Elia
und ließ ihm sagen:
Die Götter sollen mir dies und das tun,
wenn ich nicht morgen um diese Zeit dir tue,
wie du diesen getan hast!
Da fürchtete er sich,
machte sich auf und lief um sein Leben
und kam nach Beerscheba in Juda
und ließ seinen Diener dort.

Er aber ging hin in die Wüste eine Tagesreise weit
und kam und setzte sich unter einen Ginster
und wünschte sich zu sterben
und sprach: Es ist genug,
so nimm nun, Herr, meine Seele;
ich bin nicht besser als meine Väter.
Und er legte sich hin und schlief unter dem Ginster.

Und siehe, ein Engel rührte ihn an
und sprach zu ihm: Steh auf und iss!
und er sah sich um,
und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot
und ein Krug mit Wasser.
Und als er gegessen und getrunken hatte,
legte er sich wieder schlafen.

Und der Engel des Herrn kam zum zweiten Mal wieder
und rührte ihn an und sprach:
Steh auf und iss!
Denn du hast einen weiten Weg vor dir.
Und er stand auf und aß und trank
und ging durch die Kraft der Speise
vierzig Tage und vierzig Nächte
bis zum Berg Gottes, dem Horeb.

Und er kam dort in eine Höhle
und blieb dort über Nacht.
und siehe, das Wort des Herrn kam zu ihm:
Was machst du hier, Elia?
Er sprach:
Ich habe geeifert für den Herrn, den Gott, Zebaoth;
denn die Israeliten haben deinen Bund verlassen
und deine Altäre zerbrochen
und deine Propheten mit dem Schwert getötet
und ich bin allein übrig geblieben,
und sie trachten danach,
dass sie mir mein Leben nehmen.

Der Herr sprach:
Geh heraus und tritt hin auf den Berg vor den Herrn!
Und siehe, der Herr ging vorüber.
Und ein großer, starker Wind,
der die Berge zerriss und die Felsen zerbrach,
kam vor dem Herrn her;
der Herr aber war nicht im Winde.
Nach dem Wind aber kam ein Erdbeben;
aber der Herr war nicht im Erdbeben.
Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer;
aber der Herr war nicht im Feuer.
Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen.
Als das Elia hörte,
verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel
und ging hinaus und trat in den Eingang der Höhle.

 

Liebe Gemeinde,

„was machst du hier, Elia?“ – In der Höhle sitzend, fern von der Welt, hinter der Wüste, die er vierzig Tage und Nächste durchschritten hatte, sitzt er allein. Die Frage klingt doppelt in seinen Ohren. Was hat dich hierhergetrieben? An diesen verlassenen Ort. Und: Was hast du getan, dass es so weit gekommen ist? – Stellt Elia sich die Frage selbst? Es könnte eine selbstkritische Erinnerung sein. In dieser Frage hört er Gott, den Herrn selbst, mit ihm reden.

Elia hat eine einfache und ehrliche Antwort: „Ich habe geeifert für Dich, Gott. Ich war übereifrig, zu ambitioniert, bin über das Ziel weit hinausgeschossen, aber ich hatte doch nur Gutes im Sinne. Ich wollte Dich und Dein Wort verteidigen. Ja, ich tat es mit dem Schwert. Die Baal-Priester der Königin Isebel waren in meinen Augen nichts wert, haben sie doch nur ihr nach dem Munde geredet und nicht auf Dich vertraut. Jetzt aber bin ich müde und ausgezehrt, habe kaum etwas zu mir genommen. Von der Welt verachtet und stehe vor Dir mit leeren Händen in meinem selbst gebauten Gefängnis. Ach könntest Du mir nur helfen!“

Im Konflikt, in den Elia sich mit Isebel und Ahab hineingesteigert hatte, ging es um unterschiedliche Blickwinkel auf das Land. Die Königin und ihr Mann sahen alles Land, das sie beherrschten, also auch alles Land der kleinsten Bauern, als Eigentum des Königtums an. Elia erinnerte beharrlich daran, dass alles Land dem Menschen von Gott anvertraut ist. Dieses Land sei von den Vorfahren immer wieder bewahrt und bebaut worden. Elia steigerte sich in den Konflikt hinein. Er verteidigte die Macht des einen Gottes, der aus der Wüste, vom Berg Sinai her, dem Volk Israel Hilfe versprach. Er war in der Feuerwolke und Brausen des Windes. Er hat sich als mächtiger Gott seinem Volk erwiesen. Darauf vertraute Elia auch hier. Auch auf dem Karmel nahm er das Opfer des Elia im Feuer und Wind an. Aber nun? Hier in der Wüste? Elia forderte ein Zeichen der Anerkennung für seinen Weg. Oder durfte er es nicht von Gott fordern?

Auch wir wünschen uns ein mächtiges Zeichen von Gott, dass er kräftig hineinfahre in die Zerstörungswut dieser Welt und ihr ein Ende setze. Ach möge er doch den ewigen Kreislauf von Kain und Abel durchbrechen, ein für alle Male. Doch Gott antwortet nichts. Im Konfirmandenunterricht haben wir über den Sinn des Gebets für den Frieden nachgedacht. Kann Gott etwas machen? Will er etwas tun? Können wir ihn einspannen für unsere Zwecke? Werden nicht andere ihn auch für ihre Ziele einspannen?

Lässt Gott sich so einspannen? – Die Antwort Gottes lautet: „Was machst du da?“ Eine schlichte Frage zur Selbstbesinnung. Sie hilft, nicht in alte Muster zu verfallen, in der Vergeltung auf Geltungsdrang folgt. Sie hilft, dass nicht Besserwissen die Oberhand behält über vermeintlich schwächere und Außenseiter. Sie hilft, dem ewigen Konkurrenzdenken seit Kain und Abels Zeiten die Stirn zu bieten und neu zu beginnen.

Gott antwortet dem Elia nichts. Gott ist nicht im Brausen des Windes. Er ist nicht in der Gewalt, die Himmel und Erde umstürzt. Er ist nicht im Feuersturm. Er erscheint hier so unscheinbar, dass er gar nicht zu erscheinen scheint. Er antwortet nichts.

Hat Gott etwa selbst ein schlechtes Gewissen? War er nicht vorher beteiligt an Elias Aufgabe? Und jetzt?

Dieser Gott, der sich selbst wandelt, ist nicht ferne von einem jeden von uns. Wie bei Elia in einem stillen, sanften Sausen, zeigt er sich anders, als man es erwartet. Nicht mit Gewalt, sondern sanft streichelnd ist er da. Nicht mit militärischer Gewalt, sondern mit Worten der Liebe und der Anerkennung wartet er auf. Nicht als Anwalt unserer eifernden Bedürfnisse, sondern als heilsame Infragestellung unserer Wünsche tritt er uns gegenüber.

Sein Heil an uns zeigt sich auch in der Ohnmacht des Christus am Kreuz. Bei seinem Tod schweigt alle menschliche Gewalt. Sein Tod ist darum auch das Zeichen des Scheiterns aller menschlichen Gewalt. Sein Tod ist das Zeichen der Sinnlosigkeit aller Gewalt. Dass er sein Leben gibt für die Vielen ist kein Satz der für eine Kriegsrhetorik verzweckt werden kann, sondern ein Satz des Glaubens. Er  will ja gerade die Gewalt, die Menschen anderen Menschen antun aufdecken und offen benennen. Es geht darum, die Gewalt zu entlarven, die man Jesus angetan hat, als man ihn ans Kreuz auslieferte.

Darum ist das Kreuz für uns Christen ein Zeichen der Hoffnung, dass auch in den dunkelsten Stunden der Menschheit nie seine Kraft verfehlt hat. Es ist ein Zeichen des Friedens, den Gott mit den Menschen stiftet, auf das wir einander in Frieden und Liebe begegnen, so wie es Jesus vorgelebt hat.

Unsere Augen sehen auf das Kreuz. Wir hören auf Gottes Wort in der Stille. Wir lassen die Frage an uns heran: „Was machst Du da?“ Wir erkennen in Christus durch Gott das Heil, das uns zugedacht ist, neu. Wenn wir miteinander Brot und Wein teilen, dann erfahren wir: Am Tisch des Herrn gibt es kein oben und unten. Am Tisch des Herrn gibt es keine Konkurrenz. Hier sind alle gleich geliebt. Daraus erwächst eine Kraft des Friedens und Friedenschließens untereinander, die stetig wächst.

Wer so bittend und feiernd vor Gott tritt, weiß sich immer als Teil einer Gemeinschaft. Er ist nicht allein. Andere sehen auf ihn. Gott sieht auf jeden und jede. Darum strahlt aus dieser Feier in der Gegenwart des gekreuzigten und auferstandenen Christus die Botschaft des Friedens in diese Welt hinaus.

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft, bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.