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Gottesdienst am 19. Juni

Manchmal ist es zu spät. Da können wir unsere Fehler nicht wieder einfach gut machen. Jesus erzählt eine Geschichte, die uns in Frage stellt. Gottesdienst zum 1. Sonntag nach Trinitatis mit Predigt von Pfarrer Michael Grell.

 

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

Liebe Gemeinde,

dieser Tage sagte mir jemand: „Im Blick zurück sieht man auch immer die Fehler, die man im Leben gemacht hat.“ Auch wenn sich daran jetzt keine Lebensbeichte anschloss, so mag doch in diesem Satz ein tieferer Sinn liegen. Es gibt Ereignisse, die kann man nicht mehr ungeschehen machen. Es gibt Worte, die man gerne anders gesagt hätte im Nachhinein. Es gibt dieses zu spät.

Trotz aller Reue, die man empfindet, gibt es aber auf der anderen Seite auch noch die Hartherzigkeit. Da ist jemand zum Vergeben nicht bereit. Ich kann ihn ja auch nicht dazu zwingen. Ich kann ihn nur bitten, aber wenn er felsenfest bleibt, dann wird der Graben zwischen uns bleiben.

Wie in der folgenden Geschichte, die Jesus den Pharisäern, die am Geld hingen und über ihn spotteten, erzählt. Sie ist der Predigttext für den heutigen Sonntag aus dem Lukasevangelium im 16. Kapitel:

Es war ein reicher Mann,
der kleidete sich in Purpur und kostbares Leinen
und lebte alle Tage herrlich und in Freuden.
Ein Armer aber mit Namen Lazarus lag vor seiner Tür,
der war voll von Geschwüren
und begehrte sich zu sättigen
von dem, was von des Reichen Tisch fiel,
doch kamen die Hunde
und leckten an seinen Geschwüren.
Es begab sich aber, dass der Arme starb,
und er wurde von den Engeln getragen
in Abrahams Schoß.
Der Reiche aber starb auch und wurde begraben.

Und als er in der Hölle war,
hob er seine Augen auf in seiner Qual
und sah Abraham von ferne
und Lazarus in seinem Schoß.
Und er rief und sprach:
Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus,
damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche
und kühle meine Zunge;
denn ich leide Pein in dieser Flamme.

Abraham aber sprach:
Gedenke, Kind,
dass du dein Gutes empfangen hast in deinem Leben,
Lazarus dagegen hat Böses empfangen;
nun wird er hier getröstet, du aber leidest Pein.
Und in all dem besteht zwischen uns und euch eine große Kluft,
dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill,
dorthin kommen kann
und auch niemand von dort zu uns herüber.
Da sprach er: So bitte ich dich, Vater,
dass du ihn sendest in meines Vaters Haus;
denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen,
damit sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual.
Abraham aber sprach: Sie haben Mose und die Propheten;
die sollen sie hören.
Er aber sprach: Nein, Vater Abraham,
sondern wenn einer von den Toten zu ihnen ginge,
so würden sie Buße tun.
Er sprach zu ihm:
Hören sie Mose und die Propheten nicht,
so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen,
wenn jemand von den Toten auferstünde.

 

Liebe Gemeinde,

wie kann diese große Kluft überwunden werden, die zwischen dem Armen und dem Reichen bestehen bleibt auch noch jenseits des Todes? Ist sie wirklich so zementiert in dieses himmlisch-höllische Bild, das uns im Gleichnis gemalt wird? In unserer Sakristei finden wir dies Bild von Himmel und Hölle wieder. In zahlreichen kirchlichen Bildern ist die Höllenpein ausgestaltet. Auch bei unserem Gemälde wird der Blick unwillkürlich auf den gefräßigen Höllenschlund gelenkt, in dem das Feuer heftig brodelt für die, die für das Feuer bestimmt scheinen.

Können sie die Fehler ihres Lebens noch einmal ungeschehen machen? Wahrscheinlich können sie es nicht. Es gibt Zeiten, die kann man nicht mehr zurückdrehen. Es gibt Dinge, die können nicht wieder einfach gut gemacht werden in einem Handstreich. Das gilt für die große Politik wie für unseren alltäglichen zwischenmenschlichen Umgang gleichermaßen. Darum ist dies Bild der Höllenqual für mich ein ganz irdisches. Es zeigt mir das schon ganz irdische Leiden an unserer eigenen Unzulänglichkeit, an meinen Fehlern. Es ist gar nicht so sehr ein Bild des Jenseits. Wenn wir in die Kriegsregionen dieser Welt blicken, dann sagen wir oft: Das ist wahrhaft die Hölle auf Erden. Aber gibt es aus diesem Zustand wirklich kein Entrinnen?

Der Vater Abraham, in dessen Schoß sich der arme Lazarus bergend flüchtet, ist die heile Gegenwelt zur Höllenpein. Doch es gibt in dem Bild der Erzählung Jesu keine Brücke vom einen zum andern.

Ich lese diese Geschichte so: Jesus karikiert in der Zusammenstellung, die der Evangelist Lukas hier wählt, die Pharisäer. Sie hängen am Geld und achten treu auf die Einhaltung der Gesetze. So werden sie in Abrahams Schoß gelangen. Aber für Jesus ist die Kluft maximal, nicht überbrückbar. Sogar Abraham ist so hart, dass er das Ansinnen des Reichen ablehnt: Dreimal! Einmal wird es dem Reichen selbst ausgeschlagen, ein andermal der sorgenden Bitte für seine Brüder ein Riegel vorgeschoben, zum Dritten wird auch der Wundermacht der Auferstehung gewehrt. Unverrückbar bestehen die Pharisäer sonst auf ihrem Standpunkt. Nun dreht Jesus mit dieser Erzählung den Spieß um. So unverrückbar bleibt dann auch die Kluft, auf deren einer Seite sie sich eingemauert haben.

Aber Jesus will hier nicht stehen bleiben. Er will Bewegung in diese starre Gegenüberstellung bringen. Aber die steckt nicht in dieser Geschichte selbst. Wo ist eigentlich Gott in dieser Geschichte?

Ist er wirklich im Vater Abraham zu finden? Oder steht er sogar noch jenseits dieser Erzählung, die Jesus den Pharisäern auftischt?

Hartherzig und unnachgiebig ist dieser Abraham der Geschichte. So kennen wir ihn ganz und gar nicht aus dem Alten Testament. Jesus benutzt ihn hier als Spiegelbild für die treuen Pharisäer und lässt ihn immer wieder auf Gesetz und Propheten hinweisen.

Zu seinen Jüngern sagt Jesus dann im Anschluss: Wenn dein Bruder zur dir kommt und sagt: Es reut mich!, so sollst Du ihm vergeben. Darin malt Jesus das Gegenbild einer Gemeinschaft, die die Kluft überwindet. Und weil er weiß, dass es oft schwierig um die Reue und Vergebung bestellt ist, bestärkt er das Wort von der Vergebung gleich mit dem siebenmal-Spruch: Wenn dein Bruder siebenmal am Tag an dir sündigen würde und siebenmal wieder zu dir käme und spräche: Es reut mich!, so sollst du ihm vergeben.

Also nicht: Wir zählen die Fehler auf und rechnen sie an und sie sollen noch in Ewigkeit vor Gott Bestand haben. Sondern: Wer seine Fehler bereut, den spricht Gott frei. Denn Gott ist ein Richter, der aufrichtet und zurechtbringt, was falsch gelaufen ist. Er ist ein Gott, der das Leben in Liebe zum Nächsten will.

Das Deckengemälde in unserer Sakristei kommt darum auch nicht ohne diesen gerechten Richter aus, der im Zentrum sitzt und alles zurechtbringen kann. In ihm sehen wir den auferstandenen Christus, der bei Gott für uns eintritt. So will er auch unsere Fehler im Angesicht des höllischen Feuers zurechtbringen.

Was heißt das wiederum für die Kluft zu unseren Mitmenschen, in die wir uns durch unsere Fehler hineingestellt sehen? – Die eine Seite ist die ehrliche Reue, die Jesus seinen Jüngern empfiehlt, die andere Seite ist die Bereitschaft, zu vergeben. Siebenmal, wenn’s notwendig ist. Also lieber mal öfters als zu selten. Lieber mal warmherzig und barmherzig als unnachgiebig. Freilich, das ist oft leichter gesagt als getan. Aber dazu ermutigt uns Jesus mit seiner Erzählung. Sie ist ein warnendes Beispiel, wie es nicht gehen soll.

Denn wer will schon ewig in der Pein der Hölle zappeln wie der Reiche?

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.

 

Hier geht´s zum St. Leonhardfilmla über unser Sakristeigemälde „Weltgericht“