
Wie lieblich ist der Maien. Die düstere Zeit des Winters ist vorbei. Wir werden wie Petrus herausgerissen aus finstern Tagträumen ins helle Licht der Ostersonne. Gottesdienst am Hirtensonntag mit Pfarrer Michael Grell.
Predigt
Gnade sei mit Euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.
Liebe Gemeinde,
manchmal stellt jemand eine Frage und nervt damit nur. Denn Die Antwort ist ja schon klar und vorgegeben. Da liegt überhaupt keine Spannung mehr drin in der Frage. Da hätte er sich die Frage auch sparen können. So wie in der folgenden kleinen Geschichte, die den tagträumenden Petrus aus seinen Gedanken reißt.
Hört den Predigttext für den heutigen Sonntag aus dem Johannesevangelium im 21. Kapitel:
Als sie das Mahl gehalten hatten,
spricht Jesus zu Simon Petrus:
Simon, Sohn des Johannes,
liebst du mich mehr, als mich diese lieb haben?
Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.
Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Lämmer!
Spricht er zum zweiten Mal zu ihm:
Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?
Er sprich zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe.
Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
Spricht er zum dritten Mal zu ihm:
Simon, Sohn des Johannes, hast du mich lieb?
Petrus wurde traurig, weil er zum dritten Mal zu ihm sagte:
Hast du mich lieb?
uns sprach zu ihm: Herr, du weißt alle Dinge,
du weißt, dass ich dich lieb habe.
Spricht Jesus zu ihm: Weide meine Schafe!
Liebe Gemeinde,
dieser Petrus klingt genervt. Obwohl er es wahrscheinlich gar nicht sein will. Aber wenn man dreimal dasselbe gefragt wird, dann kann man es nicht mehr für sich behalten und nur schön tun. Warum fragt Jesus überhaupt? Diese Fragerei klingt wie eine Probe für Petrus. Sie klingt wie eine Erziehungsveranstaltung. Das kann einem tatsächlich auf die Nerven gehen.
Petrus sitzt am See Genezareth. Er ist dorthin zurückgegangen, wo alles begonnen hatte. Damals war er mit dem Jesus von Nazareth mitgegangen. Aber jetzt war alles vorbei. In Jerusalem hatte er den Tod am Kreuz erlitten. Alle gingen wieder nach Hause an ihre Arbeit. Petrus sitzt und blickt über den See. In Gedanken ist er bei seinen Fischen. Das ist nun wieder sein Leben. Seine Gedanken schweifen hinaus auf den See und wieder zurück. Mit leeren Netzen geht es hinaus. In seinen Träumen malt er sich die vollen Netze noch einmal aus, die er auf Jesu Rat hin, es noch einmal auszuwerfen, einholen konnte. Ach wie war das schön damals. Ach wie hat das gut getan. Ach wenn doch noch einmal die Netze so zum Bersten voll sein könnten.
Am Ufer stand Jesus. Petrus springt ins Wasser. Er geht nicht unter, auch wenn er eine Heidenangst hat. Er hatte immer eine Heidenangst, wenn er alleine etwas machen sollte, aber wenn Jesus in seiner Nähe war, dann war es gut. Dann konnte er alleine gehen und auch das Wort führen, dann fiel es ihm leicht. Jetzt ist sie wieder öfters da, diese Angst, dass alles um ihn herum untergehen könnte. Doch da sieht er Jesus am Ufer – in seinem Tagtraum. Da wird es ihm wohler ums Herz. Ein bisschen. Ja, so war es immer. Keine Frage: Er hatte ihn lieb.
Wie konnte er nur so fragen? So bohrend diese Frage stellen, wo doch alles offen am Lichte des Tages sichtbar war?
Am Kohlenfeuer im Hof dann, ganz am Ende des gemeinsamen Weges, da geschah es. Jesus war schon von den Wachen im Garten gefangen genommen worden. Immer hatte Petrus höchste Ansprüche an sich selbst gestellt. Mit Jesus wollte er bis ans Ende gehen. Nichts war ihm zu wenig. Bis in den Palast war er nun vorgedrungen, hatte sich zu den Wachen gesellt. Das Feuer, an dem sie standen, wärmte nicht richtig. Ein kaltes Grauen ergriff ihn. Es war, als würde er feurige Kohlen auf seinem Haupt sammeln. Das Herz in der Finsternis und in ihm die nackte Scham. Dann musste er weinen, aber es waren keine Tränen der Trauer, auch keine der Reue. Er weinte über sich. Warum hatte er das gesagt? „Ich kenne diesen Jesus nicht!“ Dreimal noch dazu? Und das, wo er Jesus doch lieb hatte?
Tagträumereien, wie die des Petrus, lassen uns in Gedanken versinken. Sie halten aber auch unsere Stimmungen wach. Ach, wenn es doch noch einmal so wäre wie früher. Aber es kommt nicht mehr so wieder. Die Ängste, etwas alleine durchstehen zu müssen und dann ist da jemand an meiner Seite, der mir hilft. Oder: Unversehens ergreift einen das Grauen über Dinge, aber erst später erkennt man darin einen großen Fehler.
Manchmal träumen wir wie Petrus vor uns hin. Ist da jemand, der uns herausreißt aus unserem Traum? Ist da jemand, der uns sagt, was uns weiterhilft?
Ja, Jesus weiß es, dass Petrus ihn lieb hat. Vermutlich geht es tatsächlich nicht darum bei dieser Fragestunde. Petrus hält trotz allem an diesem Jesus fest. Trotz Verrat, Tod und Zerstreuung. Er ist noch immer in seinen Gedanken. Er ist ihm noch immer nahe. Auch jetzt hier am See als seinen Aufgaben wieder nachgeht, die er schon früher getan hatte.
Und Jesus ist da. Er steht, wie damals am Ufer. Und doch nicht genauso wie damals. Aber weil Petrus weiter auf ihn vertraut, bekommt sein Leben eine neue Wendung. Er spürt diese neue Aufgabe bereits in sich wachsen. Das, was Jesus ihm einst gesagt hatte, klingt jetzt in seinen Ohren noch einmal neu. „Weide meine Schafe!“
Weide meine Schafe! Du bist nie allein. Es sind andere neben Dir und mit Dir unterwegs, die ebenso von Gott geliebte Kinder sind. Für sie bist du da. Für sie bist du wichtig, jeden Tag neu. Es geht nicht nur um den einen besonderen Hirten, oder den Pfarrer, den Bischof. Es geht um uns alle. Wir alle sind wie Petrus dazu beauftragt, die Herde Gottes zu weiden. Sie wird immer da sein, egal welche Personen mit besonderen Aufträgen ihr voran stehen. Das „Weide meine Schafe!“ ist ein Auftrag an alle. Niemand ist zu gering.
Denn Christus selbst hat sich gering gemacht. Er hat gelitten, ist gestorben, ist ganz und gar nicht heldenhaft aus dieser Welt gegangen. Gerade darin hat er uns seine Liebe gezeigt. Petrus ist mit all seinen Schwächen und Fehlern, mit seiner Angst, seiner Schuld nicht zu gering. Er ist der, dem Jesus anvertraut für andere da zu sein. Es sind nicht die großen Helden gefordert, sondern die Menschen, die anderen Menschen Hirten sind, indem sie das miteinander teilen, was sie bewegt.
Simon hat unterdessen Fische auf die glühenden Kohlen gehäuft. Brote liegen daneben. Das Morgenlicht leuchtet. Es ist, als hätte er Frühstück gemacht für seine Kinder. „Weide meine Schafe!“ Wird das wenige reichen, damit alle satt werden? Petrus vertraut darauf fest.
Als er losgeht und die Brote und Fische austeilt, entdeckt er an sich selbst, wie die Geschichte mit Jesus weitergeht. Jesus ist da. Nicht nur in unseren Tagträumen. Er ist wirklich da im Brechen des Brotes, im Teilen, im Gespräch, wenn wir miteinander feiern. Seien es jetzt wieder vermehrt die gewöhnlichen Geburstagsfesttage oder die außergewöhnlichen Tauf- und Hochzeitstage.
Wenn wir miteinander feiern, dann erzählen wir seine Geschichte weiter in unseren Häusern, Familien und Schulen, in unseren Kreisen innerhalb und außerhalb der festen Mauern unserer Kirchen. Er kommt uns mit seiner Liebe zuvor, weil wir sie in unseren Ängsten und Sorgen, in unserer Schuld und Selbstbezogenheit brauchen. So lebt der Auferstandene Christus in unserer Mitte.
Amen.
Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.