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Erntedankfest am 3. Oktober

Wir schenken uns einander Zeit. Wir teilen Dinge, die unser Leben reich machen. Heute am Erntedankfest danken wir Gott für die Hingabe seines Lebens für uns. Predigt zum Erntedankfest am Sonntag, den 3. Oktober 2021 im Garten des Museums Alte Wagnerei Köditz.

 

 

Predigt

Gnade und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

von Zeit zu Zeit ist es nötig, dass man mal ausräumt, was sich zu Hause so an Ballast angesammelt hat. Hat man viele Räume, so ist bald hier und da etwas abgestellt, was man noch gebrauchen kann und wovon man sich nicht gleich trennen will. Wenn es dann aber droht, unübersichtlich zu werden, so ist guter Rat teuer. Am besten man geht doch den Schritt und trennt sich einmal von Dingen, die man lange nicht benutzt hat, auch wenn sie noch gar nicht abgenutzt sind.

Wir leben in einer Welt, in der wir viele Dinge haben können und auch haben, die wir wahrscheinlich gar nicht alle brauchen. Ich denke da an manche Bücher in meinen Regalen, die ich nie richtig gelesen, an Geschirr das irgendwo in den hinteren Winkeln eines Schrankes schlummert, weil es nicht unbedingt meinem Geschmack entspricht, aber ich den einstigen Schenker nicht düpieren will. Aber das zeigt schon an, dass wir zu manchen Dingen eine Beziehung haben oder dass wir, wenn wir sie, wenn wir sie in die Hand nehmen, an Menschen denken, die uns damit eine Freude bereitet haben und die uns lieb sind.

Von den Beziehungen zu den Dingen, die uns umgeben, unserem Habe, ist im Predigttext des heutigen Sonntags die Rede. Hört aus dem Markusevangelium, dem 10. Kapitel, die folgende Geschichte Jesu:

Als Jesus hinausging auf den Weg, lief einer herbei, kniete vor ihm nieder und fragte ihn: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? Aber Jesus sprach zu ihm: Was nennst du mich gut? Niemand ist gut als der eine Gott. Du kennst die Gebote: „Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“ Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.

Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib´s den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm, folge mir nach! Er aber wurde betrübt über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.

Und Jesus sah um sich und sprach zu seinen Jüngern: Wie schwer werden die Reichen in das Reich Gottes kommen! Die Jünger aber entsetzten sich über seine Worte. Aber Jesus antwortete wiederum und sprach zu ihnen: Liebe Kinder, wie schwer ist´s, ins Reich Gottes zu kommen! Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe als dass ein Reicher ins Reich Gottes komme. Sie entsetzten sich aber noch viel mehr und sprachen untereinander: Wer kann dann selig werden? Jesus sah sie an und sprach: Bei den Menschen ist´s unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.

(Markus 10,17-27) 

 

Liebe Gemeinde,

diese Geschichte ist auf den ersten Blick ziemlich unbequem für den Reichen. Aber geht es hier wirklich in erster Linie darum, die Reichen vorzuführen und auf ihre Verantwortung hinzuweisen?

Ja, es geht Jesus offenbar nicht nur um so ein bisschen Ausmisten von Dingen, die man eh nicht mehr braucht oder noch nie richtig gebraucht hat. Es geht ihm ums Ganze. Etwas leichtfertig und überbordend ehrerbietig kommt da einer zu ihm und redet ihn etwas flapsig mit „Guter Meister“ an. Jesus weist das sofort von sich, indem er darauf verweist, dass allein Gott gut ist. Die Gebote hat dieser gehalten, die Jesus aufzählt, zumindest sagt er es im Brustton der festen Überzeugung von sich. Da fordert Jesus die radikale Nachfolge: Verkaufe alles und folge mir nach!

Wie schwer haben wir es, wenn wir uns wirklich von Dingen trennen wollen, die richtige Erinnerungsstücke sind an schöne Stunden mit der Familie oder Freunden? Wie schwer tun wir uns damit, die Dinge unserer lieben Verstorbenen dahingeben zu müssen, die Jahre, jahrzehntelang das Leben dieser umgaben? Manchmal schmerzt jedes einzelne Ding, das wir in Händen halten, bevor wir es weggeben müssen.

Und da sagt Jesus einfach: Gib alles weg, was du hast. Verkaufe es, damit Du davon den Armen geben kannst. Wer von uns würde da nicht, wie dieser Mann einfach kehrt machen und weglaufen?

Offenbar hat es Jesus aber mit seiner radikalen Aufforderung vermocht, diesen Menschen in seinem Innersten zu berühren. Während vorher das Gespräch eher plänkelte: „Guter Meister“, „Niemand ist gut…“, sieht Jesus diesen jetzt an und gewinnt ihn lieb – wie es ganz rührend heißt. Ja, er findet zu diesem Menschen einen Zugang und trifft ihn offenbar in der Seele, denn dieser geht traurig mit Rührung davon.

… denn er hatte viele Güter. Der freiwillige Verzicht ist nicht sein Weg. Wie es einst die Mönche taten: Um Gott näher zu sein, suchten sie ein Gott gerechtes Leben in Armut. Ja, dieser Weg wurde tatsächlich in der Geschichte der Kirche ganz oft ein Neuanfang mit ganz neuen geistlichen und lebensdienlichen Impulsen.

… denn er hatte viele Güter. Das Ausmisten von Zeit zu Zeit schafft Freiräume für neue Ideen. Es macht genügsamer im Umgang mit den Dingen, die wir wirklich zum Leben brauchen.

… denn er hatte viele Güter. Ja, freilich. Wer sie nicht hat, für den sind wir in Europa immer noch ein Sehnsuchtsort, den es zu erreichen gilt. Wem könnte man das verdenken?

Doch diese radikale Aufforderung Jesu und seine Worte an die entsetzten Jünger zeigen auch gerade, dass es schwer ist, zu den Dingen, die uns umgeben, so gänzlich ohne eine Beziehung zu sein. Eines muss man ja nun auch mal sagen: Die Nachfolge Jesu ist hier gescheitert. Der eine geht weg. Und auch die Jünger meutern. Ja, Jesus, wer kann denn dann überhaupt selig werden?

Das liegt bei Gott, sagt Jesus. Und das schöne ist: Er schließt sich da selbst mit ein. Auch der irdische Jesus weiß es nicht besser. Er fühlt mit dem Fragesteller, sieht ihn an und schätzt ihn. Aber er kann ihn doch nicht überzeugen, ihm nachzufolgen. So geht es letztlich Jesus selbst. Ihm, der auf dem Weg nach Jerusalem ist, fällt es schwer, sein Leben ganz dahingeben zu müssen.

Und doch ist es gerade das, was unser Leben reich macht. Wenn wir es hingeben, etwas von uns schenken für andere. Dann finden wir die Antwort auf die Frage: Wo finden wir das ewige Leben?

Jesus schenkt dem Fragenden seine Zeit und Aufmerksamkeit. Immer da, wo wir uns einander mit Zeit beschenken, geben wir etwas von uns, das wertvoller ist als alle Dinge, die uns umgeben können.

Die Dinge, die heute unseren Altar umgeben, sind ein Zeichen für das, was wir hingeben, um damit neues Leben an anderen Stellen zu ermöglichen. Die Spenden für Projekte unseres Missionswerkes oder für Kinder in Not, die wir anlässlich des Erntedankfestes sammeln, können anderswo ein Leben in Unabhängigkeit ermöglichen.

Immer, wenn wir so uns selbst hingeben oder etwas von uns hingeben, dann zählen wir nicht oder rechnen wir nicht, egal ob reich oder arm. Dann steht die Zeit sogar einmal ein wenig still. Dann erfahren wir uns selbst als gesegnete Kinder Gottes. Gesegnet mit dem ewigen Leben.

Unsere kleine Geschichte von Jesus steht tatsächlich in der Bibel zwischen der Segnung der Kinder und der Ankündigung des Leidens Jesu. Dieses Leben in der Nachfolge ist also weniger Verzicht um des Verzichtens willen. Es ist Hingabe für andere. Wenn wir so selbstlos uns und die unsern Dinge hingeben, stehen wir in der Nachfolge Jesu. So verstanden wird sie unser aller Leben reicher machen.

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft bewahre eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.