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Dritter Advent

Manchmal fallen harte Worte, die lange nachwirken. Wir empfinden sie wie ein richtendes Wort über uns. Paulus erinnert uns im Predigttext des dritten Advents daran, dass Gottes großes Richten unser irdisches Richten heilsam zurechtbringt. Hören Sie die Predigt von Pfarrer Michael Grell zum Dritten Advent.

 

 

Predigt

Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater und dem Herrn Jesus Christus. Amen.

 

Liebe Gemeinde,

manchmal treffen uns harte Worte, richtende Worte, die wir nicht so schnell vergessen. Ich erinnere mich an das Einzel-Vorsingen im Musikunterricht der Grundschule. Das war für so manchen Mitschüler eine Tortur, während ich es stets einigermaßen anstrengungslos zu einer guten bis sehr guten Note brachte. Da fiel dann auch schon mal gegenüber den Mitschülern ein hartes Wort des Lehrers: „Du kannst nicht singen!“

Dass solche Worte tief sitzen und lange Nachwirkungen zeitigen können, auch wenn das wahrscheinlich gar nicht so beabsichtigt war, ist mir immer wieder erzählt worden. Auch Kolleginnen und Kollegen in der Ausbildung hatten gemeint, sie würden die Liturgie im Gottesdienst nie singen können.

Dass es auch heilsame Momente geben kann, in denen es gelingt, sich von diesen Worten zu befreien, daran erinnert uns der heutige Predigttext des Apostels Paulus aus dem 1. Korintherbrief, der in der Lutherbibel überschrieben ist mit: Kein Recht zum Richten. Hört die Worte des Paulus:

Dafür halte uns jedermann:
für Diener Christi
und Haushalter über Gottes Geheimnisse.
Nun fordert man nicht mehr von den Haushaltern,
als dass sie für treu befunden werden.

Mir aber ist´s ein Geringes,
dass ich von euch gerichtet werde
oder von einem menschlichen Gericht;
auch richte ich mich selbst nicht.
Ich bin mir zwar keiner Schuld bewusst,
aber darin bin ich nicht gerechtfertigt;
der Herr ist´s aber, der mich richtet.

Darum richtet nicht vor der Zeit,
bis der Herr kommt,
der auch ans Licht bringen wird,
was im Finstern verborgen ist,
und das Trachten der Herzen
offenbar machen wird.
Dann wird auch einem jeden
von Gott Lob zuteilwerden.

(1. Korinther 4,1-5)

 

Liebe Gemeinde,

offenbar hat auch der Apostel Paulus solche für ihn persönlich nachhallenden Worte in den Ohren, als er diese Zeilen schreibt. Denkbar ist, dass die verschiedenen Gruppierungen in der Gemeinde in Korinth, die von verschiedenen Stiftern ins Leben gerufen worden waren, begonnen haben, ein hartes Wort über die jeweils anderen zu verlieren. Auch Paulus selbst scheint von solchen harten, richtenden Worten getroffen worden zu sein. Das ist auch an anderen Stellen des Briefes zu spüren. Er ruft darum immer wieder zur Einheit im Glauben an Jesus Christus auf. Die Unterschiede sind nicht so gravierend, als dass man sich deswegen gegenseitig mit richtenden Urteilen abstempeln müsse.

Paulus ruft vielmehr in Erinnerung, dass menschliches Urteilen und Richten an eine Grenze stößt. Dort, wo menschliches Urteilen seine Maßstäbe verliert, dort setzt Gottes Gericht eine heilsame Grenze.

Und das gilt umfassend. Es ist auch für mich selbst eine Grenze. Ich kann mir zwar keiner Schuld bewusst sein, aber dieses Bewusstsein der reinen Weste bedeutet nicht, dass es vor Gott so sein muss. Dadurch bin ich nicht gerechtfertigt vor Gott, sagt Paulus. Es ist Gott selbst, der rechtfertigt, indem er zu uns kommt.

Hier ist es als Bild des Gerichtes beschrieben. Wir denken an das Bild des Weltgerichtes am Ende der Zeiten. Dieses Bild kann Angst machen. Die Angst ist ein guter Begleiter, wenn sie uns aufmerksam und sensibel macht, für das, was uns bedrohen kann. Dieses Bild vom Weltgericht kann aber auch zum Anker der Hoffnung werden. Denn wenn Gott kommt, dann spielen unsere menschlichen Maßstäbe, unser Richten und Urteilen, keine Rolle mehr.

Im Adventslied heißt es:

Er kommt zum Weltgerichte:
zum Fluch dem, der ihm flucht,
mit Gnad und süßem Lichte
dem, der ihn liebt und sucht.

Dieses große Weltengemälde bleibt also nicht abstrakt. Es hat etwas mit mir zu tun. Das Weltgericht trifft auch auf mich. Und die Botschaft, die Paulus hier bringt, ist ein Innehalten. Dieses große Weltgericht ist heilsam für jeden ehrlichen Sucher Gottes.

Als solche sind wir unterwegs in der Adventszeit. Wir suchen nach dem Gott, der unser Leben heilsamer sein lässt. Der uns befreit von den lästigen, harten Worten, die uns nachgehen schon seit Langem; der uns ermutigt, unsere Stimme neu zu erheben und den Urteilen dieser Welt lachend ins Auge zu blicken.

Beim liturgischen Singen im Predigerseminar hat es manchem Kollegen geholfen, dass die Kantorin, die die Stimmbildung mit uns machte, erst einmal ermutigte, im ganz kleinen Kreis zu singen. Da lachte niemand, wenn mal ein Ton falsch war. Aber eigentlich war ja oft gar nichts falsch. Es war vielmehr öfters so, dass sich die Kollegen nicht trauten, weil sie im Musikunterricht oder anderswo gehört hatten, dass sie nicht singen könnten. Also haben sie es jahrelang sein gelassen. Auch in der Kirche unter Pfarrerinnen und Pfarrern gibt´s das.

Solche als richtend empfundenen Worte können lange Zeit nachwirken. Da kann die Erinnerung daran, dass Gott einst das letzte Wort sprechen wird, eine heilsame Erinnerung sein, die befreiend wirkt. Aber manchmal hilft das abstrakte Wissen darum noch nicht weiter. Dann braucht es Menschen. Es braucht Boten, die kommen und einen ermutigen, einen neuen Anfang zu wagen.

So will Gott schon jetzt immer wieder in unsere Welt kommen. Als Mensch, der uns ermutigt und befreit von den Dingen, die uns binden. Er bringt zurecht, was an Unrecht in der Welt ist. Er befreit und ermutigt zu neuem Leben.

Solche ermutigenden Zeichen brauchen wir und suchen wir, gerade in den Wochen vor Weihnachten. Wir können alle dazu beitragen. Indem wir nachfragen, was den anderen ängstigt, anstatt das Gespräch lautlos zu beenden. Indem wir zuhören, aber auch unsere Sorge zum Ausdruck bringen, und es so dem Gegenüber zu Gehör bringen.

Vorschnelle Urteile helfen niemandem. Sie führen nur dazu, dass Mauern wachsen. Im Lichte des Herrn der Welt besehen, werden sie hinfällig. In seiner Welt spielen Unterschiede, die wir hier in dieser Welt machen, keine Rolle.

Gott wird richten und aufrichten. Darin besteht das Heil, das mit ihm in die Welt kommt.

Mit einem wirklich heilsamen Satz schließt Paulus. Dann wird einem jeden von Gott Lob zuteilwerden. Lob ist immer heilsam. Es ist der Schlüssel zu einem Leben aus der Liebe. Noch vielmehr wird das sein, wenn Gott uns lobt. Diese Zuversicht will ich gerne mitnehmen in die zweite Hälfte der Adventszeit. Lob ermutigt und befreit. Nehmen wir ernst, was wir in der Liturgie immer wieder singen: Sein Lob soll immerdar in meinem Munde sein.

Amen.

 

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle unsere Vernunft bewahre Eure Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.